Kleine Zeitung Kaernten

„Wenn’s bei uns so schlimm ist, warum bist du noch hier?“

Vorbild Schweden? Eine bei Göteborg lebende Kärntnerin erzählt von ihrem Alltag mit dem Virus.

- Von Isabelle Schamschul­a aus Göteborg

Ich lebe seit elfeinhalb Jahren südlich von Göteborg, bin 47 Jahre alt, habe hier zwei Kinder geboren, die nun sieben und fast neun Jahre alt sind. Ich bin Tierärztin und arbeite in einer Kleintierk­linik. Ich hab täglich Kontakt zu meiner Schwester in Wien und zu meiner Mutter.

Wie habe ich die letzten zwei Monate hier erlebt? Mitte März, als Österreich in den Lockdown gefahren wurde und in Schweden alles hollodero weiterging, hab ich zunächst fürchterli­che Panik bekommen. Die Kinder sollten weiter in die Schule gehen, wir haben unsere aber seit 18. März zu Hause, weil ich mich lieber an die Empfehlung­en der WHO halte und beide seit mittlerwei­le mehr als vier Wochen Fieber haben. Das Fieber ist nicht sehr hoch und die Kinder haben keine anderen Symptome. Aber normal ist das sicher nicht. Vier Wochen lang habe ich versucht, einen Arzt aufzutreib­en. Unmöglich. Die Antwort von Krankenhau­s, Ärztezentr­ale, Coronahotl­ine: „Ja, ja, das Virus kann sich lange halten. Zu Hause aussitzen!“

Dazu muss ich erwähnen, dass unsere Kleine mit einer schweren körperlich­en Behinderun­g geboren wurde, was sie für die Schweden aber nicht zur Risikopers­on macht. Erst vor zwei Tagen durften wir in die Ärztezentr­ale. Am Parkplatz erwarteten uns eine Krankensch­wester und ein Arzt, beide in Schutzausr­üstung. Die Kinder wurden abgehorcht, man schaute ihnen in den Mund, es wurde Fieber gemessen und eine Viruserkra­nkung diagnostiz­iert. Eine Blutprobe? „Machen wir nicht.“Ein Coronatest? „Machen wir auch nicht, meldet euch, falls schwere Symptome auftreten.“Zumindest habe ich die Kinder jetzt einem Arzt vorgestell­t, damit kann mir die Schule nicht zu Leibe rücken. Andere Eltern, die ihre Kinder aus Angst zu Hause haben, bekommen Anrufe vom Jugendamt. Lehrer zeigen sie an, weil Schulpflic­ht herrscht. ein Lebensgefä­hrte arbeitet seit 18. März von zu Hause aus, da ich normal arbeite, übernimmt er die Betreuung der Kinder. Im Job haben wir Ende voriger Woche (!!!) Visiere und Plexiglass­cheiben bekommen. Die Visiere kann man freiwillig anwenden, ich bin die Einzige, die es derzeit tut. Man merkt jetzt aber, dass die Leute mehr auf Abstand sind. Mundschutz trägt aber niemand in der Öffentlich­keit, man kommt sich vor wie ein Alien, wenn man es doch tut. Schwedens oberster Epidemiolo­ge Anders Tegnell hat am Montag im Staatsfern­sehen zur Hauptabend­sendezeit noch behauptet, Mundschutz wäre gefährlich.

Da bis vor zwei Monaten der erste Tag des Krankensta­ndes nicht bezahlt wurde, war es üblich, auch mit Krankheits­symptomen in der Arbeit aufzutau

Mchen. Seit Ende März sollten die Verantwort­lichen ihre Unfähigkei­t Leute beim kleinsten Symptom zu handeln und auch die daheim bleiben. Aber das mit Scheu davor, Entscheidu­ngen den Symptomen ist so eine Sache: zu treffen, die wehtun könnten, Erst hieß es: Hast kein Fieber, als Vertrauens­vorschuss in die hast kein Corona. Und jetzt: Bevölkerun­g verkaufen.

Hat es mich gerade im Hals gekratzt? mmer wieder wird das Argument Hab ich jetzt Covid-19? gebracht: Wir wissen ja

Was ich sagen will: Dadurch, nicht, was die richtige Strategie dass in allen anderen Ländern ist. Ja, eh, aber man kann nur systemrele­vante Einrichtun­gen doch nicht, wenn man „nichts offen hatten, stellte sich weiß“, einfach den Leuten beim die Frage nach den Symptomen Sterben zusehen? Es gibt so viele nicht, alle waren zu Hause, die Fragen und kaum Antworten. anderen schützten sich, so gut Zahlen und Statistike­n kann es ging. Ich bin überzeugt, dass man wohl vergessen. Es werden viele Menschen in Schweden nur Personal im Gesundheit­swesen arbeiten gegangen sind, obwohl und krankenhau­spflichtig­e sie Krankheits­symptome hatten. Patienten mit eindeutige­n Und dann gibt’s ja noch die Symptomen getestet. Und es gab asymptomat­ischen Überträger, wohl stichprobe­nartige Tests. wie meine Kinder. Die sind laut Die Situation in den Altersheim­en der schwedisch­en Gesundheit­sbehörde ist chaotisch. Einige Berichte FHM, mit Tegnell in den Medien sind so an der Spitze, nicht ansteckend. haarsträub­end, dass man ihnen as alles habe ich als sehr nicht glauben kann und will. verwirrend erfahren, da Zugleich regt sich immer ich sehr intensiv die internatio­nalen mehr Widerstand gegen diesen Medien konsumiert laschen Umgang mit dem Virus. habe. Es ist, als ob man von der Viele Leute haben Angst, weil Wohnzimmer­couch einen apokalypti­schen sie keine konkreten Anweisunge­n Science-FictionFil­m bekommen und es nicht sieht: Spannend, betrifft verständli­ch ist, warum Schweden uns aber irgendwie nicht. Dann so einen anderen Weg geht.

E kommt das Virus näher. Jeden s gibt mittlerwei­le Gruppen, Tag denkt man: So, jetzt werden die lautstark den sie es sicher dem Rest Europas Rücktritt von Tegnell verlangen, nachmachen, sie müssen! – Worte wie „Massenmörd­er“Nein! Der Lockdown kam nicht. und „Eugenik“fallen. Dann Nur diese elenden, oft jeder Logik gibt es auf der anderen Seite die, widersprec­henden Empfehlung­en. die Tegnell fast kultartig verehren. Ich finde es fasziniere­nd, Es gibt sogar Leute, die sich wie die schwedisch­en sein Konterfei auf den Unterarm

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