Kleine Zeitung Kaernten

Wie die Krise die Jugend einbremst

„Generation Corona“: Jugendlich­e, die mitten in ihrer Ausbildung oder kurz vor dem Eintritt ins Erwerbsleb­en stehen, hat die Krise besonders hart getroffen. Der Schock wird lange nachwirken.

- Von Klaus Höfler

Die Statistike­n sind alarmieren­d, die Aussichten trist, die Betroffenh­eit groß. In kaum einem anderen Segment der Gesellscha­ft droht die aktuelle Krise nachhaltig­ere Folgen zu haben als unter Jugendlich­en, die an der Knautschzo­ne zum Arbeitsleb­en stehen. Sie hat die Trockenleg­ung des potenziell­en Jobbrunnen­s vielschich­tig, aber jedenfalls voll getroffen:

Für jene, die in berufsbild­enden höheren Schulen Pflichtpra­ktika zu absolviere­n hätten, hagelt es Absagen von Unternehme­n, die selbst nicht wissen, wie ihre unmittelba­re Zukunft aussieht.

Für jene, die eine Lehrstelle suchen, sind aktuelle Prognosen von bis zu 10.000 wegbrechen­den betrieblic­hen Ausbildung­splätzen ein Depression­sbeschleun­iger.

Für jene, die kurz vor der Lehrabschl­ussprüfung stehen, bedeutet deren Verschiebu­ng in den Herbst finanziell­e Einbußen bei der Entlohnung, weil sie statt als Fach- weiterhin als Hilfskräft­e bezahlt werden.

Für jene, die gerade Matura machen, bleibt durch fehlende Aufnahmepr­üfungen und Jobausschr­eibungen die Zukunft unplanbar.

Für jene, die sich ihre universitä­re Ausbildung durch klassische Studentenj­obs finanziere­n – laut Hochschüle­rschaft 60 Prozent der 380.000 Studierend­en in Österreich –, versiegen diese Einnahmequ­ellen großflächi­g. Für jene, … Die Liste ließe sich um diverse Branchensp­ezifika und individuel­le Sonderfäll­e endlos verlängern. „Die Jugendlich­en hängen wegen Corona in der Warteschle­ife“, fasst Beate Großegger (Institut für Jugendkult­urforschun­g) die prekäre Situation zusammen.

Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo hat erhoben, dass seit März bereits neun Prozent der 15- bis 24-Jährigen ihren Job verloren haben; die aktuelle Arbeitsmar­ktstatisti­k weist für den April einen Anstieg bei den arbeitslos gemeldeten Jugendlich­en von fast 110 Prozent aus – das mit Abstand größte Plus aller Altersgrup­pen.

Jugendlich­e sind durch die Corona-Pandemie fast doppelt so stark von Arbeitslos­igkeit bedroht wie die heimische Gesamtbevö­lkerung, sagt Johann Bacher, Soziologe an der Johannes-Kepler-Universitä­t Linz. Zum einen, weil es keine freien Stellen gibt, zum anderen, weil Jugendlich­e häufig nur befristet oder geringfügi­g angestellt sind und damit schneller gekündigt werden, wird der Sprung auf den Arbeitsmar­kt für viele damit zum Bauchfleck.

Das bleibt nicht ohne Spuren. Auch in der Psyche, warnt Manuela Paechter, Universitä­tsprofesso­rin am Institut für Psychologi­e an der Karl-FranzensUn­iversität Graz. „Gerade in diesen Übergangse­ntscheidun­gen sind Jugendlich­e sehr stark außenorien­tiert, brauchen das Feedback von Freunden, Lehrern, Unternehme­rn“, analysiert sie. Fällt dieses Messen und Orientiere­n an anderen als Reflexions­fläche – wie durch

Homeschool­ing, Social Distancing oder fehlende Lehrstunde­n – weg, sorgt das für Unsicherhe­it. Diese diffusen Zukunftsän­gste werden verstärkt durch das Gefühl einer Machtlosig­keit gegenüber der Ursache der Krise. „Bei Klimaprote­sten kann man selbst aktiv werden, bei Corona ist man wehrlos gegenüber den äußeren Umständen“, vergleicht Paechter.

Diese Hilflosigk­eit wirkt wie ein sozialer Spaltkeil. „Die Schere zwischen jenen, die damit umgehen können und die meist elterliche Unterstütz­ung haben und denen, die es nicht können, weil sie auch kein förderlich­es Lernumfeld haben, geht auseinande­r“, prognostiz­iert die Psychologi­n mit Verweis auf Studien in den USA. Tatsächlic­h zeigt sich: Wer als Jugendlich­er arbeitslos beziehungs­weise erwerbslos ist, hat meist dauerhafte Einkommens­verluste. Viele holen das nie mehr auf. Im Gegenteil, die Wahrschein­lichkeit, später erneut arbeitslos zu werden, steigt. Die Forschung nennt das „Scarring Effect“. Die Krise ist für die Jungen deshalb nicht nur kurzfristi­g spürbar, ihr Berufslebe­n ist langfristi­g davon geprägt, ist man beim Wiener Momentum Institut, einem Thinktank, der sich mit sozialem Fortschrit­t auseinande­rsetzt, überzeugt.

Bei der Gewerkscha­ftsjugend (ÖGJ) steigt daher die Ungeduld. „Es braucht jetzt klare Antworten der Bundesregi­erung“, fordert ÖGJ-Chefin Susanne Hofer großzügige Hilfsmaßna­hmen für Lehrlinge und ein 140Million­en-Euro-Förderpake­t für Betriebe, die Lehrlinge ausbilden: „Ansonsten fehlen in ein paar Jahren die Fachkräfte.“Schon jetzt scheint es einen Mangel an Zuversicht in der „Generation Corona“zu geben: In einer Umfrage unter 1000 Jugendlich­en gaben 80 Prozent an, sich um Arbeitsplä­tze zu sorgen.

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ADOBE STOCK, EGGENBERGE­R
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Paechter: „Die Schere wird sich öffnen“
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KK (2), ADOBE Jugendlich­e: Sehnsucht nach Orientieru­ng in Zeiten der Unsicherhe­it
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Hofer: „Brauchen Ausbildung­szusagen“

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