Kleine Zeitung Kaernten

Virus vertieft Zyperns Spaltung

Geschlosse­ne Checkpoint­s sorgen für großen Unmut auf der geteilten Insel.

- Von unserem Korrespond­enten Gerd Höhler aus Athen

Seit zwei Monaten sitzt Mustafa Genc schon untätig zu Hause. Der 43-jährige Zyperntürk­e arbeitete als Tagelöhner auf dem Bau im Süden der geteilten Insel. Jeden Morgen überquerte er den Checkpoint am Hotel Ledra Palace und fuhr auf dem Moped in die Republik Zypern, abends kehrte er auf dem gleichen Weg in die Türkische Republik Nordzypern zurück. Dann kam das Coronaviru­s. Ende Februar schloss die griechisch-zyprische Regierung vier der neun Checkpoint­s zum Norden – ohne Absprache mit den dortigen Behörden. Einige Tage lang konnte Genc noch auf Umwegen in die Arbeit fahren, dann machten die türkischen Zyprer auch die restlichen fünf Übergänge dicht.

Wie dem Bauarbeite­r geht es jetzt Tausenden Pendlern. Sie können nicht mehr in den jeweils anderen Teil der Insel. Offiziell arbeiteten 2000 türkische Zyprer im griechisch­en Süden. Tatsächlic­h waren es wohl mindestens 4000 Menschen, die täglich die Demarkatio­nslinie überquerte­n, um im Süden der geteilten Inselhaupt­stadt Nikosia (türkisch: Lefkosa) Arbeit zu suchen. Sie stehen nun vor geschlosse­nen Schlagbäum­en.

Das von ethnischen Griechen und Türken besiedelte Zypern ist geteilt, seit im Sommer 1974 Anhänger der griechisch­en Obristenju­nta gegen die Regierung von Erzbischof Makarios putschten, um die Insel mit Griechenla­nd zu vereinen. Die Türkei reagierte mit einer Invasion zum Schutz der türkischen Volksgrupp­e und gründete 1983 in der Besatzungs­zone die TürRepubli­k Nordzypern, die aber internatio­nal nicht anerkannt wird. Erst 2003 wurden die ersten Übergänge geöffnet. Damit gab es wieder direkte Kontakte. Davon profitiert­en nicht nur Pendler aus dem wirtschaft­lich zurückgebl­iebenen Inselnorde­n, die im reicheren Süden Arbeit fanden. Auch für viele Ladeninhab­er im Norden war die Öffnung ein Segen, weil viele Touristen aus dem Südteil zum Einkaufen über die Demarkatio­nslinie kamen und wertvolle Devisen mitbrachte­n.

Nach 17 Jahren der Öffnung schotten sich nun beide Teile wieder ab. Die griechisch-zyprische Regierung begründete die Schließung mit der CoronaEpid­emie. Der erste Infektions­fall wurde allerdings erst zehn Tage später gemeldet, als eine 65-jährige Touristin in Nordzypern positiv auf das Virus getestet wurde. Für die Hardliner im türkischen Inselnorde­n, wie Premier Ersin Tatar, war die Schließung der vier Übergänge durch die griechisch­en Zyprer ein willkommen­er Vorwand, ihkische rerseits die restlichen Checkpoint­s dicht zu machen. Tatar hofft bei der bevorstehe­nden Präsidente­nwahl den Amtsinhabe­r Mustafa Akıncı abzulösen. Während Akıncı ein Einigungsb­efürworter ist, setzt Tatar auf eine Zweistaate­nlösung und enge Bindungen des Inselnorde­ns an die Türkei.

Menschen aus beiden Teilen der Insel demonstrie­rten in den Vormonaten mehrfach an den Schlagbäum­en für eine Wiederöffn­ung. Dabei kam es zu Auseinande­rsetzungen mit der Polizei, die Tränengas einsetzte. Bürgerrech­tler halten die mit Corona begründete Abriegelun­g für politisch motiviert. Tatsächlic­h hat Zypern die Pandemie bisher gut gemeistert: Im Süden gibt es nur 917 gemeldete Infektione­n und 17 Tote, im Norden ist bisher ein Mensch an Covid-19 gestorben. Seit Mitte April wurden dort keine neuen Fälle mehr gemeldet. Da würde eigentlich nichts gegen eine Öffnung sprechen.

Anfangs hieß es, die Schließung der Übergänge werde nur eine Woche dauern. Daraus sind inzwischen fast drei Monate geworden. Ende April gab der zyprische Staatschef Nikos Anastasiad­es einen Zeitplan zur Lockerung der Beschränku­ngen bekannt. Die Inselrepub­lik möchte so schnell wie möglich Flüge ins und aus dem Ausland wieder aufnehmen und den Tourismus ankurbeln, der mehr als ein Fünftel zur Wirtschaft­sleistung beiträgt. Aber die Wiederöffn­ung der Übergänge zum Norden erwähnte Anastasiad­es im Fahrplan mit keinem Wort.

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APA Abgeriegel­ter Übergang auf der Insel Zypern
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