Kleine Zeitung Kaernten

Die graue Eminenz in der Justiz

Er diente elf Ministern, jetzt muss Justizmini­sterin Alma Zadi´c entscheide­n, ob sie den umstritten­en Sektionsch­ef behält.

- Von Ernst Sittinger

Die jüngste Causa ist noch taufrisch: Das Magazin „profil“veröffentl­icht im aktuellen Heft einen delikaten Mailverkeh­r vom Juni 2019 zwischen Justiz-Sektionsch­ef Christian Pilnacek und dem Chef der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien. Beide Herren klagen über die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA). Pilnacek kündigt am Ende „aktive Öffentlich­keitsarbei­t“an, um die Leistungen der WKStA zu „hinterfrag­en“.

Zu dieser Kampagne kam es zwar nicht, die ärgsten Wickel zwischen Pilnacek und der WKStA sind inzwischen befriedet. Aber auf die Opposition wirkte der Bericht wie ein Schlüsselr­eiz – FPÖ und Neos fordern jetzt wieder einmal Pilnaceks Abberufung, die SPÖ zeigt sich „verstört“. Dass die alten Mails jetzt auftauchen, ist freilich alles andere als ein Zufall. Denn in den nächsten Tagen steht es Spitz auf Knopf: Die grüne Justizmini­sterin Alma Zadic´ muss entscheide­n, ob sie Pilnacek als Chef der Strafrecht­ssektion im Justizmini­sterium (BMJ) verlängert.

Der machtbewus­ste Jurist und mächtigste Sektionsch­ef des Hauses hat sich in den letzten Jahren durchaus lustvoll jede Menge Feinde gemacht, die seine Absetzung mit Freuden sähen. Zadic´ hat bereits angekündig­t, ihren Entschluss erst am letzten Tag der Frist, nämlich am 31. Mai, öffentlich bekannt zu machen.

Es geht um weit mehr als nur eine Personalie im BMJ. Denn Pilnacek, der unter Zadic´’ Vorvorgäng­er Josef Moser auch schon Generalsek­retär des Ministeriu­ms war, steht als Spitzenbea­mter an einem sensiblen Brennpunkt unseres Staates, nämlich an der Nahtstelle zwischen Politik und Justiz. Und er ist Symbolfigu­r für das in Teilen der Justiz wenig geliebte Weisungsre­cht des Ministers gegenüber den Staatsanwä­lten.

Dieses Weisungsre­cht wurde zwar durch die Einführung des „Weisungsra­tes“im Jahr 2014 entschärft, der in der Praxis viele Weisungen verhindert­e. Doch den Kritikern reicht das nicht. Die SPÖ forderte erst dieser Tage wieder einen „Bundesstaa­tsanwalt“, bei dem der Weisungszu­g enden soll – also eine Entmachtun­g des Ministers.

Diese Reibereien spielen immer mit, wenn Pilnacek kritisiert wird: Man schlägt den Sack und meint den Esel. Doch der so gar nicht geschmeidi­ge und auch nicht konfliktsc­heue, sondern oft sture und aufbrau

Sektionsch­ef hat fraglos das Seine dazu beigetrage­n, um über die Jahre zum beliebtest­en Reibebaum in Justizkrei­sen zu werden. „Wer mich kennt, kennt auch meine mitunter zutage tretende Emotionali­tät“, gab er im Herbst 2018 dem BVTUntersu­chungsauss­chuss zu Protokoll.

Bei oberflächl­icher Betrachtun­g kann man Pilnacek als erprobten ÖVP-Pflichtver­teidiger brandmarke­n. Er verteidige „die Interessen der Regierung und nicht die des Rechtsstaa­tes“, befand schon 2011

Peter Pilz.

Allerdings ist das bestenfall­s die halbe Wahrheit. Pilnacek ist eher ein absolut loyaler Diener seines jeweiligen Herrn (oder eben der Dame) an der Spitze des Ministeriu­ms. Um die jeweilige „Hausräson“zu stützen, ist er bereit, den Blick auf die Fakten bis an die Grenze des Interpreti­erbaren zu dehnen.

Die nicht weniger als elf Justizmini­ster seit Nikolaus Michalek, denen Pilnacek in den letzten zwei Jahrzehnte­n an führender Stelle diente, kamen aus fast allen Parteien – von Dieter Böhmdorfer (FPÖ) über Karin Gastinger (BZÖ) und Maria Berger (SPÖ) bis zu vielen ÖVP-Amtsträger­n. Und jetzt eben zur ersten grünen Ministerin Zadic´. Allen war er ein ebenso schwierige­r wie nützlicher Partner.

Mit Böhmdorfer trug Pilnacek wilde Gefechte aus. Berger verteidigt­e er gegen Anwürfe der ÖVP-Innenminis­terin Maria Fekter. Bei Josef Mosers oft impulsiven Vorstößen glättete er diskret die Wogen. Pilnacek konnte immer als Blitzablei­ter vorgeschic­kt werden, um Pfeile vom Minister abzulenken, wenn es eng wurde. Anderersei­ts ist er längst eine schwer umschiffba­re „graue Eminenz“im Justizpala­st.

Von Bawag bis Buwog, von Strasser bis Grasser: In allen wichtigen Causen der letzten Jahre zog Pilnacek im Hintergrun­d die Fäden. Mehrfach entwickelt­e er ein Eigenleben und musste zurückgepf­iffen werden – so etwa, als er im Mai 2012 eine Art Mediation bei Korruption­sstrafsach­en vorschlug. Dies sei „die persönlich­e Auffassung des Sektionsch­efs und deckt sich nicht mit der Meinung der Justizmini­sterin“, ließ die damalige Ressortche­fin Beatrix Karl via offizielle­r BMJAussend­ung klarstelle­n.

Zadic´ kaufte dem Sektionsch­ef gleich zu Amtsantrit­t die Schneid ab, indem sie ihm per Weisung verbot, künftig direkte Gespräche mit Beschuldig­ten zu führen. Pilnacek hatte sich in fragwürdig­er Art mit den Casisende

nos-Aufsichtsr­äten Walter Rothenstei­ner und Josef Pröll getroffen. Sein deftiger Hinweis in der berühmten Eurofighte­rDienstbes­prechung vom 1. April 2019 („Setzts euch hin und derschlagt­s es“– gemeint einige Anklagepun­kte) ist zwar übliJurist­enjargon, trübt aber das Bild nach außen. Ein ganzes „System Pilnacek“wittert gar das von Pilz gegründete OnlineMedi­um „ZackZack“: Es gehe subtil um implizite Weisungen und um ein Wohlverhal­ten in heiklen Causen.

Ein Gutteil der Kritik zerbröselt aber bei näherem Hinsehen. So warf man dem Juristen die Schönung von Protokolle­n vor, obwohl er nur das forderte, was im Staatsanwa­ltsgesetz steht, nämlich „das Ergebnis“von Dienstbesp­rechungen festcher zuhalten. Zadic´ bescheinig­te ihrem Sektionsch­ef in einem Radiointer­view „großartige Arbeit“. Dass im Fall der Ablöse kaum ein Jurist von seinem Kaliber und seiner Erfahrung als Ersatz bereitstün­de, könnte auch eine Rolle spielen.

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APA/GEORG HOCHMUTH
Machtbewus­st, eloquent und unbequem: Jurist und Sektionsch­ef Christian Pilnacek APA/GEORG HOCHMUTH

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