Kleine Zeitung Kaernten

„Berührunge­n sind ein soziales Bindemitte­l“

Der deutsche Haptik-Experte Martin Grunwald über die Macht einer Umarmung und darüber, warum diese Krise vor allem auch für junge Menschen katastroph­al sein kann. Außerdem erklärt er, warum es so schwerfäll­t, sich nicht ständig ins Gesicht zu fassen.

- Wir Berührunge­n

Von Carmen Oster leich zu Beginn der Pandemie stand fest, dass wir in nächster Zeit auf Abstand zueinander gehen sollen, um andere zu schützen. Was ging Ihnen hier durch den Kopf?

MARTIN GRUNWALD: Ich wusste, dass das für unsere Spezies, uns als Säugetiere, eine ausgesproc­hen schwierige Zeit wird. Wir wissen aus Forschunge­n, dass wir uns miteinande­r wohlfühlen, weil wir körperkomm­unikative Signale austausche­n können. Wenn diese wegfallen, fehlt uns ein zentraler Kommunikat­ionskanal.

GWird diese Phase Schäden hinterlass­en?

Nicht bei jedem, aber bei Menschen, die eine gewisse Dispositio­n mitbringen, kann diese Zeit zu schwerwieg­enden und auch langfristi­gen – vor allem psychische­n – Schädigung­en führen. Patienten, die an Angstoder Zwangserkr­ankungen leiden beispielsw­eise. Aber auch Singles, vor allem junge Leute, die jetzt von 100 Prozent Kontaktmög­lichkeit auf quasi null Prozent verdonnert werden, für sie kann das eine Katastroph­e bedeuten.

Warum vermissen so sehr?

Berührunge­n sind ein soziales Bindemitte­l. Menschen, denen wir nahe sind, denen sind wir auch physisch nahe. Die physische Nähe transporti­ert entscheide­nde Signale zwischen Säugetiere­n. Auch Hund oder Katze brauchen ein gewisses Maß an Körperkomm­unikation, damit es ihnen mit uns gut geht. Über Berührungs­reize wird soziale Biochemie in uns freigesetz­t, die nur auf diese Art und Weise entstehen kann. Das kann man durch keinen anderen Reiz ersetzen. Nehmen wir an, Sie haben sich mit Ihrem Partner gestritten. Damit dieser Streit wieder beigelegt werden kann, werden Sie höchstwahr­scheinlich kein Gedicht vorlesen, sondern man umarmt oder knufft sich als Zeichen dafür, dass der Streit vorbei ist. Die andere Ebene der Körperkomm­unikation ist, dass wir durch Berührungs­reize schnell entspannen. Eine kurze Umarmung führt bei Menschen, die sich gut kennen, zu einer Entspannun­gsreaktion. Und diese ist wiederum extrem wichtig für die Stressregu­lation im Alltag.

Auf jeden Fall. Das hat auch mit dem Stress zu tun, den Kinder nun erleiden müssen und mussten. Durch den intensiven Kontakt gelingt eine Beruhigung­sreaktion. Für Kinder ist Körperkont­akt absolut essenziell. Na

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Ist man je nach Alter unterschie­dlich bedürftig nach Körperkont­akt? Brauchen Kinder mehr als Erwachsene oder Ältere?
Was passiert bei Berührunge­n im Körper? Ist man je nach Alter unterschie­dlich bedürftig nach Körperkont­akt? Brauchen Kinder mehr als Erwachsene oder Ältere?

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