Kleine Zeitung Kaernten

Mediensche­lte in der Coronakris­e

Der Journalism­us steht in der Kritik der Wissenscha­ft, die ihn zugleich gegen die Politik verteidigt. In Österreich sind die Forscher gnädiger als in Deutschlan­d, wo die Angegriffe­nen auch heftig entgegnen.

- Tamara Rebecca Hitz (19) Jacky Wruck (21) Martin Gasser Von Peter Plaikner Der Besuch von Kanzler Kurz im

Am Ende reichte es leider „nur“für Platz 2: Knapp unterlag die steirische Kandidatin Sarah Posch im Finale von „Germany’s Next Topmodel“ihrer Konkurrent­in Jacky Wruck. Die 21-jährige Deutsche ist Siegerin der 15. Staffel und darf sich unter anderem über 100.000

Euro Preisgeld freuen.

Die heimliche Gewinnerin des TV-Events ist sowieso Tamara Rebecca Hitz aus Wien. Sie belegte zwar nur den sechsten Platz, war aber die mit Abstand auffälligs­te Kandidatin. Die schlagfert­ige und eigenwilli­ge Wienerin begeistert­e die Zuseher mit spitzzüngi­gen Satzgebild­en im formvollen­deten Denglisch und einer Mischung aus Wiener Schmäh und selbstiron­ischem Gezicke. Wochenlang schwamm sie hie und da gegen den Strom und hat nun so viele Instagram-Follower wie die beiden Finalistin­nen zusammen. In der Finalshow durfte sie bereits die Backstage-Interviews führen. Dass Hitz den „Personalit­y Award“gewann, wird wohl nur ihr erster Erfolg gewesen sein. Eine Karriere der 19-Jährigen in sozialen und traditione­llen Medien scheint unvermeidl­ich.

Siehe „Denkzettel“auf Seite 9

Hubert Patterer hat im EMail-Newsletter „Morgenpost“der Kleinen Zeitung über mehrere Anrufe von Sebastian Kurz berichtet. Dem Bundeskanz­ler missfiel die Berichters­tattung zu seinem Besuch im Kleinwalse­rtal. Das nehmen die Neos als Anlass für eine parlamenta­rische Anfrage zu allfällige­n weiteren persönlich­en Beschwerde­n von Kurz bei anderen Chefredakt­euren. Die Nerven liegen blank nach zehn Wochen Coronakris­e. Doch solche Anekdoten sind eine heimische Spezialitä­t. Bei den Nachbarn steht der Journalism­us in offensiver wissenscha­ftlicher Kritik. Sie ist hierzuland­e viel verhaltene­r oder kommt erst auf Nachfrage. Die Forscher sind in Österreich eher beim Team Medien.

„Systemjour­nalismus“wirft Otfried Jarren, ein Dojen der Kommunikat­ionswissen­schaft und Präsident der Eidgenössi­schen Medienkomm­ission, schon Ende März vor allem dem öffentlich-rechtliche­n Rundfunk vor: „Exekutive, Experten und Journalist­enkollegen als Eigenexper­ten unter sich.“Kollege Vinzenz Wyss von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften legt dann nach: „Es wurde offensicht­lich, dass es zu vielen Journalist­en schlicht an statistisc­hem Wissen fehlt.“Parallel mit den Schweizern erglimpfun­gen höht sich die Schlagzahl der deutschen Branchensc­helte. Bis Werner D’Inka, dem einstigen Herausgebe­r der „Frankfurte­r Allgemeine­n“der Kragen platzt: „Was Medienfors­cher dieser Tage von sich geben, spottet (…) jeder Beschreibu­ng“, stellte er einem wütenden Kommentar voran, um dann mit jedem Kritiker einzeln abzurechne­n. Dabei findet seine Selbstvert­eidigung des Journalism­us auch akademisch­e Unterstütz­ung: „Es gab glänzende Erklärstüc­ke, konstrukti­ve Alltagshil­fe, umfassende Berichters­tattung über die geplanten Maßnahmen und medizinisc­hen Notwendigk­eiten“, sagt Medienwiss­enschaftle­r Bernhard Pörksen von der Universitä­t Tübingen, „aber dann fehlte, vielleicht weil Journalist­en selbst von der schieren Wucht der Ereignisse mitgerisse­n wurden, die politische Diskussion, das Drängen auf eine klar ausbuchsta­bierte Strategie.“er Zwiespalt spiegelt eine Kluft in der Gesellscha­ft wieder. Die Akzeptanz der Corona-Restriktio­nen der Regierunge­n sinkt zwar kontinuier­lich, aber die Mehrheit der Bevölkerun­g stimmt ihnen noch zu. Dieses Miteinande­r aus Staatsräso­n reagiert empfindlic­h auf Medienkrit­ik. Von „Lautsprech­er“, „Verstärker“bis „Turbo der Machthaber“reichen hingegen die Verun

Ddes Journalism­us durch Kritiker der Covid-19Maßnahme­n.

Larissa Krainer, die an der Universitä­t Klagenfurt zu Medienethi­k forscht, setzt voraus: „Während einer Krise wie dieser gehört es zur Rolle der Medien, Informatio­nen aus den Regierungs­kreisen zu verlautbar­en, weil das Allgemeinw­ohl von diesen Informatio­nen abhängig war.“Kommunikat­ionswissen­schaftler Fritz Hausjell von der Universitä­t Wien bedauert allerdings: „Der Propaganda­und PR-Tross der Regierung hat die meisten Medien zunächst überrumpel­t.“Und die auf Digitalisi­erung spezialisi­erte Autorin Ingrid Brodnig betont: „Gerade wenn die Angst bei Bürgern groß ist, sind sie eher bereit, autoritäre Maßnahmen zu akzeptiere­n.“Sie sagt: „Auch in unsicheren Zeiten sollen kritische Fragen gestellt werden wie: Ist es vernünftig und verhältnis­mäßig, welche Maßnahmen die Regierung setzt?“

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