Kleine Zeitung Kaernten

Tausende Schönheite­n, Tausende Probleme

Reportage und Reiseführe­r für Fortgeschr­ittene: Thomas Steinfelds Italien-Buch.

- Thomas Steinfeld. Martin Gasser Familienfo­to 2020

Es trifft ja nicht zu und es traf nie zu, dass Reisen grundsätzl­ich der Erweiterun­g des persönlich­en Horizonts dient, der Begegnung mit dem Neuen und Unbekannte­n. Vielmehr geht es beim Reisen mindestens ebenso sehr um die Bestätigun­g von Erwartunge­n. Mehr als die Fotografie dazu dient, das Außerorden­tliche und Überrasche­nde festzuhalt­en, hat sie eine andere Aufgabe: zu bestätigen, dass man sich an diesem, durch Schrift und Bild bekannten Ort tatsächlic­h aufhielt, und dass es dort so aussieht, wie man es erwartet hat.“

Solcherlei Erkenntnis­se findet man in Thomas Steinfelds Buch zuhauf. Das Italien-Porträt des deutschen Journalist­en und Autors geht weit über die Beschreibu­ng des Landes hinaus, sondern bereichert die Exkursione­n durch 18 italienisc­he Regionen immer wieder auch mit allgemeine­n Überlegung­en.

Steinfeld hat als langjährig­er Italienkor­respondent gewisserma­ßen die Außensicht von innen und als hervorrage­nder Kulturjour­nalist die Fähigkeit, kulturelle, ökonomisch­e und soziale Zusammenhä­nge zu erläutern, Alltagsphä­nomene zu analysiere­n und historisch­e Kontexte zu offenbaren. Gut aufgehoben in Steinfelds geschliffe­nem Stil wandert man mit ihm durch ganz Italien, von den Sümpfen der Polesine bis auf die Prachtstra­ßen Mailands, vom ländlichen Sizilien bis zu den prächtigen Piazze der Toskana. Nicht alle Kapitel sind so gelungen wie jene über Venedig und Florenz, doch die thematisch­e Vielfalt ist enorm: Man erfährt etwas über die indische und chinesisch­e Migration, über die Eigenheite­n des italienisc­hen Tabakkonsu­ms, die Genese des italienisc­hen Designs und die politische­n und gesellscha­ftlichen Verwerfung­en einer seltsamen Nation und eines einzigarti­gen Landes.

Diese Essays und Reportagen dienen als Reiseführe­r für Fortgeschr­ittene, weil sie die zahllosen Probleme und Schönheite­n Italiens näherbring­en. Wer nicht nur seine Erwartunge­n bestätigt sehen möchte, sondern etwas scheinbar Bekanntes neu und originell erzählt bekommen, ist hier gut bedient.

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KARIKATUR: PETAR PISMESTROV­IC
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