Kleine Zeitung Kaernten

Hinter dem Türsteher beginnt die Freiheit

Hinein ins pralle Leben: Das Belvedere feiert legendäre Nachtclubs als Orte der Kunst und unerschöpf­liche Inspiratio­nsquelle.

- Gleich zu Beginn „Into the Night“, Günther Paulitsch: Songs voll Traurigkei­t und Schönheit Julian Melichar

ständen und originalge­treuen Rekonstruk­tionen.

taucht man in die Welt der Schattensp­iele ein, die stellvertr­etend für das wohl legendärst­e Nachtlokal überhaupt stehen: dem „Le Chat Noir“in Paris. Mit dem schelmisch dreinblick­enden Kater im Logo galt das Kabarett ab 1881 mit seinen Schattensp­ielen als Vorreiter für das Kino. Von

Paris flaniert man bequem ins Rom der 1920er-Jahre.

Aber man sei gewarnt, heißt es da: „Tutti all’inferno!“Dass es im „Cabaret del Diavolo“teuflisch zugegangen ist, daran besteht kein Zweifel: flammenzün­gelnde Tische und Stühle, Teufel und Teufelchen überall. Kein Wunder, Hausherr und Künstler Fortunato Depero war Futurist. Gemeinsam mit dem von Giacomo Balla designten

Club „Bal Tic Tac“, setzte man hier futuristis­che Maßstäbe.

Zur gleichen Zeit tanzte man in Berlin bekanntlic­h auf dem viel zitierten Vulkan. Berauschen­d, wie sich Valeska Gert in Trance tanzt – während andernorts zur gleichen Zeit in einer „Damenkneip­e“heftigst diskutiert wurde, wie es Rudolf Schlichter, Vertreter der neuen Sachlichke­it, im gleichnami­gen Bild darstellte. Gerade der Expression­ismus erhielt durch jene Orte viel an Schubkraft.

Nach der Weltreise, über Clubs in Nigeria, Iran, Mexico, aber auch New York, tritt man ein in das 1907 von Josef Hoffmann geplante und von Künstlern der Wiener Werkstätte ausgestatt­ete, „Kabarett Fledermaus“. Eintreten ist wörtlich zu nehmen, wurde doch der Barraum im Rahmen eines Forschungs­projektes der Universitä­t für angewandte Kunst nachgebaut. Mit 7000 Keramiktei­len und in Anlehnung an die Originalfl­iesen von Bertold Löffler und Michael Powolny. Auch nüchtern gesehen: umwerfend!

bis 1. Juni, Belvedere Wien. www.belvedere.at

Günther Paulitsch lieferte Samstagabe­nd ein besonders stimmiges, intimes Wohnzimmer-Konzert, das in einem kleinen Kämmerchen stattfand, offenbar das Kreativate­lier des Künstlers. Seine Songs strahlen eine tiefe Traurigkei­t, aber dennoch ungeheure Schönheit aus. In dieser emotionale­n Paarung passt diese Musik wunderbar in diese ver-rückte Zeit.

Fünf LoFi-Perlen hatte der „Good Wilson“-Sänger im Gepäck, instrument­iert nur mit kargen, staubtrock­enen E-Gitarre-Klängen und Keyboard-Tupfern, feine Elektronik­fäden ziehen sich mitunter durch die Melancholi­aMelodien. Man spürte, dass hier jemand am Werk ist, der für, mit und in der Musik lebt, jedes weitere Wort dazwischen ist überflüssi­g.

Hier geht es nicht um Bespaßung, sondern um das Wesentlich­e: die Musik. „Notfall-Session“hat Günther Paulitsch diesen Auftritt selbst genannt. Dem ist energisch zu widersprec­hen. Es war eine absolute Glücksfall­Session, der eine meditative Ruhe innewohnte. Mit solchen Songs als Medikation übersteht man auch diese Krise.

 ??  ?? Chat Noir, Lithografi­e von 1896 und Nachbau Barraum
„Kabarett Fledermaus“
Chat Noir, Lithografi­e von 1896 und Nachbau Barraum „Kabarett Fledermaus“
 ?? KK ??
KK

Newspapers in German

Newspapers from Austria