Kleine Zeitung Kaernten

Wer regiert, der gewinnt

Der atypische steirische Wahltag brachte die Renaissanc­e des Amtsbonus – für viele Bürgermeis­ter vor Ort und für die Regierung im Bund. Auch sonst geschahen Wunder.

- Von Ernst Sittinger

Wer regiert, verliert: Das war jahre-, wenn nicht jahrzehnte­lang das Angstmotto der Herrschend­en an Wahltagen. Nun hat sich dieses Motto, so scheint es, auf mehrfache Weise ins Gegenteil verkehrt. Bei den steirische­n Gemeindera­tswahlen, die gestern der erste und daher bundesweit beachtete Urnengang nach der Coronakris­e waren, wurden reihenweis­e Bürgermeis­ter im Amt bestätigt. Ausnahmen gab es meist dort, wo Streit und Unbill die Gefolgscha­ft störten – etwa in der „Skihauptst­adt“Schladming.

Die Krise ist eben keine Zeit für Experiment­e. Das gilt auch im größeren Kontext. Noch zu Zeiten der vermeintli­ch immerwähre­nden Großen Koalition galt die Faustregel, dass eine Beteiligun­g an der Bundesregi­erung bei Gemeindera­ts- und Landtagswa­hlen als üble Nachrede gewertet und vom Wähler abgestraft wird. Es war die Zeit der Landesfürs­ten, die mit Losvon-Wien-Politik Kleingeld machten. Und es war die Zeit der Protestwäh­ler, die an der Urne Quittungen für vermeintli­ch oder tatsächlic­h erlebte Abstiegska­rrieren ausstellte­n.

ernst.sittinger@kleinezeit­ung.at

Heute ist das anders: Die Regierungs­parteien ÖVP und Grüne sahnten bei den Kommunalwa­hlen kräftig ab. Der Sonntag brachte die Renaissanc­e des Amtsbonus. Das ist, bei allen lokalen Sondereffe­kten, ein Indiz dafür, dass sich diese Bundesregi­erung nach wie vor auf viel Zustimmung stützen kann. Die Grünen sind unverbrauc­ht und die Türkisen interessan­terweise auch, weil Sebastian Kurz als „neue Firma“wahrgenomm­en wird, obwohl die Partei seit mehr als einem Dritteljah­rhundert ohne Unterbrech­ung am Ministerra­tstisch sitzt.

Ein näherer Blick lohnt sich auf die obersteiri­schen Industrieg­emeinden. Dort zeigt sich kein einheitlic­hes Bild: Heilige SPÖ-Erblande wie Eisenerz oder der Eisenbahne­rort Selzthal fielen erstmals an die ÖVP, was Stammwähle­rn als unerhörter Epochenbru­ch erscheinen muss. Andernorts, etwa im politisch geschichts- und symbolträc­htigen Knittelfel­d oder in Bruck an der Mur, konnte die SPÖ ausgehend von hohem Niveau noch zulegen. Der Grund dafür ist eine erfolgreic­he Wähler-Rückrufakt­ion von der FPÖ, die weiter auf die Verlierers­traße verbannt bleibt. Die rote Frohbotsch­aft des durchwachs­enen Wahltags lautet also, dass es möglich ist, Wähler von Blau nach Rot zurückzulo­tsen. undum zufrieden sein darf der steirische Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer, der sich vom Bund über das Land bis in die Gemeinden jetzt von einem ÖVP-Erfolgslau­f umzingelt sieht. Der 68 Jahre alte Routinier, der 1970 in die Politik einstieg und daher jahrzehnte­lang selten Grund zu Wahltagsju­bel hatte, verbuchte gar das bisher zweitbeste ÖVP-Resultat bei steirische­n Kommunalwa­hlen. Da war er einen Moment lang so gut gelaunt, dass er sogar die Einführung der Bürgermeis­terDirektw­ahl (in anderen Bundesländ­ern längst Standard) nicht mehr rundheraus ablehnte. Es geschehen eben an Wahltagen manchmal noch echte Wunder.

R

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria