Erwartungsmanagement
Eineinhalb Wochen rastloser Kommunikation eher bescheidener Inhalte liegen hinter uns. Die Regierung läuft Gefahr, eines ihrer wichtigsten Instrumente zu verheizen.
Sie waren bald das Ziel von Spott, die Synchronauftritte zu dritt oder zu viert, mit denen uns die Regierung im Frühjahr nahezu täglich via Livestream die neue Wirklichkeit erklärte. Der Hohn war ungerecht. In rasender Folge änderten sich damals die Bedingungen, unter denen wir aus dem Haus gehen, Freunde sehen oder Urlaub machen durften. Information aus erster Hand befriedigte ein dringendes Bedürfnis nach Klarheit und Übersicht in verworrener Lage. Die Häufung war zwar ungewohnt und manche dieser meist koalitionär ausgewogen besetzten Präsentationen waren entbehrlich. Aufs Ganze betrachtet aber hatte diese Informationsdichte sicherlich zum raschen Abflachen der Ansteckungskurve beigetragen.
Der heurige Herbst ist mit den dramatischen Anfangstagen des Lockdowns nicht vergleichbar. Die Zahlen steigen zwar langsam wieder an, aber wir wissen jetzt besser, was dagegen hilft. Cluster lassen sich schneller ermitteln, isolieren und bekämpfen. Sollte die Regierung in dieser Situation zur Kommunikationsstrategie des
Frühjahrs zurückkehren, könnte bei den Adressaten schon bald ein Gefühl des Überdrusses entstehen.
Am Montag der Vorwoche hatten wir gehört, der Bundeskanzler plane, am Freitag eine Erklärung abzugeben. Dienstag und Mittwoch folgten Überschriften aus dem Text, der vor Journalisten verlesen werden sollte. Am Sonntag folgten zahlreiche Interviews, die wiederum nahtlos zum Sommergespräch im ORF überleiteten.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober versuchte dasselbe in kleinerem Format mit seiner „Erklärung“, die am vergangenen Dienstag ähnlich wenig Neues ans Licht brachte. Gemeinsam war beiden Events, dass sie ihrerseits auf Neuigkeiten neugierig machten, die am Mittwoch nach dem Ministerrat verkündet werden sollten, diesmal von beiden Koalitionsparteien gemeinsam. Erwartungsmanagement nennt man das im Fachjargon. Heute können wir Bilanz ziehen über eineinhalb Wochen von Ankündigungen von Ankündigungen von Erklärungen zur Lage der Nation.
Das Ergebnis fällt dürftig aus. Licht am Ende des Tunnels und einen normalen Sommer verkündete der Kanzler, einen Impfstoff vielleicht im Jänner der Minister. Gemeinsam warnten sie vor großen Weihnachtsfeiern und rieten zum Einsatz des Hausverstandes. Keine Verschärfung der Maßnahmen, wie kryptische Andeutungen im Vorfeld befürchten ließen. Aber auch aufmunternde Worte haben in düsteren Zeiten ihre Wichtigkeit.
Vor der Fortsetzung dieses Stakkatos sei trotzdem gewarnt. Die tägliche Pressekonferenz eignet sich hervorragend dafür, große Menschenmengen durch angespannte Zeiten zu steuern. Verkommt sie zum Plauderstündchen, nutzt sie sich ab und verliert ihre Wirkung. Im Ernstfall, der in den nächsten Wochen und Monaten durchaus wieder eintreten könnte, fehlt dann ein wirkungsvolles Instrument.