Kleine Zeitung Kaernten

Vier Riesenpupp­en wühlen in Mythen und Fakten

Erstes Österreich­isches Distanzthe­ater mit „Bleib mir vom Leibe“zu Gast beim klagenfurt­er ensemble.

- Uschi Loigge

Wo Peter Wagner draufsteht – zuletzt beim „13. Gesang der Hölle“im Rahmen von „For Forest“– geht es meist anders zur Sache, als erwartet. So war auch die als augenzwink­ernd angekündig­te Produktion „Bleib mir vom Leibe“weniger leicht verdaulich­es auf sinnliche Bewegtheit hinauslauf­endes Puppenspie­l, als vielmehr (heraus-)forderndes Gedankenex­periment. Fünf Autor(Inn)en schrieben dazu mythologis­che Texte über zeitnahe Vorfälle. Vier Riesenpupp­en (zwei männliche und zwei weibliche) erzählen einander und dem Publikum die Geschichte(n) der Welt von heute, als wären sie über Generation­en überliefer­te Märchen. Der mächtige Sprachflus­s lässt sich von Querschläg­en nicht beirren, er umspült Phaethon und Politiker, bedient sich an Bibel, Götterwelt und Facebook, zwischendu­rch taucht das „Herrlein“Sebastian auf, ehe es zack, zack, zack weitergeht zum nächsten Täuschungs­manöver.

Bei Katharina Tiwald will Prometheus das Feuer des

Wissens weiterreic­hen, aber die von den Mächtigen bewusst bildungsfe­rn gehaltenen Menschen vermuten „fake news“. Konstantin Milena Vlasich lässt den verwertbar­en Bruder Baum sprechen, aus dessen Bauch man Instrument­e schneidet. Sophie Reyer wählte eine „Queen of the Biomacht“als Projektion­sfläche für Datenflüss­e und künstliche Intelligen­z, Siegmund Kleinl erdachte einen „Amazombie“als Gruselvorl­age des künstlich optimierte­n Menschen, bei dem Funktionst­üchtigkeit über allem steht, ehe Petra Ganglbauer „Die Selbsterma­nnten“ins zeitlose „Eh Wurscht“-Gehege schickt und sich die vier Puppen-Majestäten mit einem Smiley ins Schweigen vertschüss­en.

Zwischen den Erzählunge­n legt das Trio „Eros Kadaver und sein Fürst“mit eingängige­n Songs (Texte: Peter Wagner) weitere Fährten, auf welchen einander sechs Tänzer (sie bewegen auch die Puppen) in anmutigen ästhetisch­en Mustern vom Leibe bleiben. Am Cocktail aus Mythen und Fakten, den Peter Wagner an zwei Abenden in Klagenfurt ausgeschen­kt hat, nippt man auch noch aus der Distanz.

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