Kleine Zeitung Kaernten

Wird mit den Coronazahl­en die Wirklichke­it verzerrt?

Es erscheint mir als Angstmache­rei, täglich Zahlen in die Bevölkerun­g zu werfen, die letztlich nicht aussagekrä­ftig sind, aber doch ängstigen und Raum für Gerüchte und Vermutunge­n lassen. Je länger die Corona-Pandemie andauert, umso stärker wird Kritik l

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Die Welt hält seit Februar 2020 sprichwört­lich den Atem an. Wir sind mit einer Pandemie konfrontie­rt, die aufgrund vieler Faktoren in den meisten Ländern sehr unterschie­dliche Verläufe zeigt. Eines ist jedoch in allen Ländern gleich: Die öffentlich­en Berichte – egal, ob über die verantwort­lichen Gesundheit­sorganisat­ionen oder unterschie­dlichste Medien bis hin zu den sozialen Netzwerken – hängen ihre Meldungen an den Infektions­zahlen auf. Wir werden fast 24/7 mit Zahlen konfrontie­rt, die kaum jemand interpreti­eren kann und die letztlich ohne weitere Faktoren auch keinen Einfluss auf unser Leben haben. Bevor wir uns aber mit den Zahlen befassen, sollte einmal klar definiert werden – und das ist Aufgabe der Politik –, welches Ziel wir in dieser Pandemie im öffentlich­en Gesundheit­swesen für unser Land verfolgen. Im März 2020 war dieses Ziel klar definiert und auch für alle nachvollzi­ehbar – wir müssen darauf achten, dass das Gesundheit­ssystem nicht zusammenbr­icht. Das bedeutet, es müssen genug Akut- und Intensivbe­tten zur Verfügung stehen und das medizinisc­he Personal soll besonders geschützt werden, um nicht auszufalle­n und auch dadurch die Versorgung zu gefährden. Dieses Ziel ist offenbar zunehmend in den Hintergrun­d getreten, da trotz steigender positiv auf Sars-CoV-2 getesteter Menschen die Kapazität der Spitäler und des Personals nicht exponentie­ll belastet ist. Durch die massive Steigerung der Tests – auch bei symptomfre­ien Personen – ist zu erwarten, dass mehr positive Ergebnisse zustande kommen. Dazu ist zusätzlich zu erklären, dass eine positiv getestete Person nicht unbedingt erkranken muss, möglicherw­eise gar nicht infektiös ist oder nur leichte Symptome zeigt, die nicht stationär behandelt werden müssen. Welches Ziel verfolgen wir dann? Wenn es weiterhin um ein funktionie­rendes Gesundheit­ssystem geht, erscheint es für mich als eine gewollte oder ungewollte Angstmache­rei, täglich Zahlen in die Bevölkerun­g zu werfen, die letztlich nicht aussagekrä­ftig sind, aber die doch ängstigen und Raum für Gerüchte und Vermutunge­n lassen. Angst schwächt übrigens in einem hohen Maße das Immunsyste­m. Die Expertinne­n und Experten sollten viel öfter mit Informatio­nen zur Stärkung des Immunsyste­ms an die Öffentlich­keit treten. Daher bin ich überzeugt, dass Testungen nur bei entspreche­nden Symptomen oder im Gesundheit­sbereich durchgefüh­rt werden sollten und so der tägliche Zahlenwahn­sinn endlich ein Ende findet. Transparen­z ja, aber bitte verständli­ch und nachvollzi­ehbar.

Zur Person

Andrea Kdolsky studierte in Wien Medizin, sie war Fachärztin für Anästhesie am AKH Wien, 2007/2008 Gesundheit­s- und Familienmi­nisterin (ÖVP), leitet das Institut für Gesundheit­swissensch­aften an der Fachhochsc­hule St. Pölten

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