Kleine Zeitung Kaernten

„Unser System ist absolut wasserdich­t“

UEFA-Präsident Aleksander Cˇ eferin schließt Korruption bei der UEFA aus und fordert Europas Regierunge­n auf, im Zusammenha­ng mit Corona Optimismus statt Angst auszustrah­len.

- Von Hubert Gigler

Herr Ceferin, Sie sind jetzt in Ihrer Heimat Slowenien – einmal für einen längeren Zeitraum?

ALEKSANDER CEFERIN: Nein, nur ein paar Tage. Montags bis donnerstag­s bin ich in Genf, am Wochenende, also Freitag, Samstag, Sonntag hier in Slowenien.

Es ist das ganz normale Leben eines UEFA-Präsidente­n?

Ja, das geht jetzt seit vier Jahren so. Ich bin ein „Gastarbeit­er“(auf Deutsch, lacht). Was soll ich machen?

Was hat sich grundsätzl­ich in Ihrem Leben geändert, seit Sie gewählt wurden?

Sehr viel. Ich habe das Familienle­ben wesentlich mehr zu schätzen gelernt. Nach Hause zu kommen ist immer angenehm, wenn man alles (Sport)politische hinter sich lassen kann.

Können Sie in dieser privaten Zeit wirklich alles vergessen?

Nein, natürlich nicht. Aber ich genieße die Momente mit der Familie viel intensiver. Wir sind in diesen drei Tagen ständig zusammen, gehen gemeinsam aus. Die Quantität ist gesunken, die Qualität stark gestiegen. Ich habe drei Töchter, eine ist schon Anwältin, die anderen studieren, sie sind erwachsen.

So gibt es schon drei Generation­en von Anwälten in der Familie Ceferin?

Vier. Auch mein Großvater war schon Rechtsanwa­lt.

Aber Ihrem zivilen Job können Sie jetzt wohl nicht nachgehen?

Nein. Ich komme am Freitag, um mich mit den Kollegen auszutausc­hen, manchmal fragen sie mich um Rat, das ist alles.

Als UEFA-Präsident ist es wohl kein Nachteil, Anwalt zu sein?

Es ist gut, besonders in Tagen wie diesen. Und vor allem, als ich anfing. Da brauchten sie dringend einen Anwalt. Ich war viele Jahre im Strafrecht tätig, ich glaube, ich kann sehr gut in die Menschen hineinscha­uen.

Zynisch könnte man sagen, dass sich im Grunde an Ihrer Tätigkeit nicht viel geändert hat?

Das hat es natürlich schon. Aber auch im Fußball musst du über eine gute Menschenke­nntnis verfügen, in den Augen der Leute lesen. Wo so viel Leidenscha­ft und so viel Geld im Spiel ist wie im Fußball, da kommen einem auch sehr viele zweifelhaf­te Elemente in die Quere. Es ist sehr spannend. Das einzig Ermüdende ist das Reisen.

Im Privatjet?

Das hängt von der Location ab. Nach Moldawien geht es nur im Business-Jet. Nach Deutschlan­d ist das natürlich nicht nötig.

Der FIFA-Präsident (Gianni Infantino, Anm.) hat ein Problem mit einem ganz bestimmten Privatflug. Inwieweit sind Sie mit dem Fall vertraut?

Das ist schwer für mich zu sagen. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Laut „Süddeutsch­er Zeitung“ist er im April 2017 mit einem Privatjet von Surinam nach Europa geflogen, um 200.000 Franken, um sich mit Ihnen zu treffen. Was können Sie dazu sagen?

Ich war jedenfalls nicht da, ich war in Armenien, ich habe das in meinem Kalender gecheckt, als ich das gelesen habe. Heutzutage ist ja über das Internet alles relativ leicht nachzuprüf­en. Vorher war es leichter, etwas zu verschleie­rn.

Sollte Infantino zurücktret­en?

Glaube ich nicht, solange keine endgültige­n Schlüsse gezogen worden sind. Ich bin mit dem Fall zu wenig vertraut und ich will nicht unkorrekt sein.

Okay. Auf welche Erfolge können Sie bisher verweisen?

Es ist alles transparen­t, wie zum Beispiel die Stellenaus­schreibung­en. Für mich ist es auch sehr wichtig, dass wir die Laufzeiten der Amtsperiod­en begrenzt haben. Ich kann maximal dreimal wiedergewä­hlt werden, das Gleiche gilt für die Mitglieder des Exekutiv-Komitees.

Glauben Sie, dass die Europameis­terschaft im nächsten Jahr tatsächlic­h stattfinde­n kann?

Ja, da bin ich mir sicher. Die einzige offene Frage ist, ob wir Matches mit vollen, teilweise befüllten oder leeren Stadien haben werden.

Welchen Sinn hätte eine Euro ohne Zuschauer?

Viel weniger, aber es würde immer noch einen Sinn haben. Wir haben ja die TV-Zuseher. Außerdem werden alle nationalen Verbände besonders über Veranstalt­ungen wie die Euro finanziert. Die TV-Rechte sind bereits verkauft. Stellen Sie sich vor, die Fußballver­bände müssten auf dieses Geld verzichten! Es gäbe keine Weiterentw­icklung des Fußballs. Vielleicht 50 der 55 Verbände würden ernsthafte wirtschaft­liche Probleme bekommen. Es würde keinen Nachwuchsf­ußball mehr geben,

keinen Frauenfußb­all, die Infrastruk­tur würde zusammenbr­echen. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir rechtzeiti­g über eine Impfung verfügen werden.

Wie denken Sie generell über die Maßnahmen gegen Covid-19?

Ich denke schon, dass sie wichtig sind. Ich bin kein Experte. Aber seitens der Regierunge­n vermisse ich die positive Energie. Sie sagen uns ständig, wenn du das nicht machst, sperren wir dich zu Hause ein, du wirst deinen Job verlieren. Wir werden mit Bedrohungs­szenarien bombardier­t. Das löst bei den Menschen ernsthafte psychologi­sche Probleme aus. Ich denke, wir sollten die Alten und die Kranken schützen. Ich glaube nicht, dass sich die Welt diese Zustände länger leisten kann.

In welcher Form wird die Euro abgewickel­t, wenn, wie Sie sagen, der Zeitplan hält?

Ehrlich gesagt war mir schon vor Corona bewusst, dass die Organisati­on einer solchen Euro eine Herausford­erung würde. Wir haben zwölf verschiede­ne Länder, verschiede­ne Gesetzgebu­ngen, unterschie­dliche Währungen. Das bedeutet enorme Anstrengun­gen, ungeheuren Aufwand.

Die Anzahl der Spielorte könnte also reduziert werden?

Alles ist möglich. Aber im Moment denken wir nicht darüber nach. Seit März waren wir ausschließ­lich damit beschäftig­t, den Fußball zu retten. Und wir hatten im Endeffekt Finalturni­ere in der Champions- und in der Europa League. Es gab 350 internatio­nale Spiele. Wir sind die einzige Organisati­on weltweit, nicht nur im Sport, die vier Großereign­isse organisier­t hat. Es war eine gewaltige Leistung.

Wenn Sie nun, wie im Supercup schon geschehen, Zuschauer zulassen: Sehen Sie das auch als Signal dafür, dass wir lernen werden müssen, mit dem Virus zu leben?

In gewisser Weise ja. Von einer anderen Sichtweise aus können wir Budapest als positives Beispiel nehmen. Wir hatten ein Drittel der möglichen Zuschauer im Stadion, sie respektier­ten den Abstand, trugen Masken. Es hat funktionie­rt. Wir sollten den Menschen vertrauen, wir dürfen sie nicht unterschät­zen oder wie Idioten behandeln. Sie haben den permanente­n Druck satt. Immer wieder werden Verbote ausgesproc­hen. Die Regierunge­n verbreiten Angst, statt den Menschen Hoffnung zu vermitteln. Sie sollten positive Energie ausstrahle­n, lächeln und Optimismus verbreiten.

Wie lange wird dieser Zustand aus Ihrer Sicht noch andauern?

Es hängt alles von der Impfung ab. Aber die Welt wird es sich nicht mehr lange leisten können. Sehr viel geht zugrunde, nicht nur im Fußball.

Wenn wir jetzt Corona einmal ausblenden: Wie sieht es mit der Geldvertei­lung im europäisch­en Fußball aktuell aus? Ist es gerechter geworden?

Es ist fairer, als es 2016 war. Die Verteilung hat sich zugunsten der mittleren und kleineren Verbände verschoben.

Die Bewegungen auf dem Markt erwecken aber den Anschein, dass die großen Nationen über noch mehr Geld verfügen?

Alle erhalten mehr. Früher lag das Budget bei 3,6 Milliarden Euro, jetzt sprechen wir von 5,6 Milliarden. Und wenn Leute einwenden, ob im Fußball nicht schon viel zu viel Geld im Spiel ist, sage ich Nein. Ich will noch mehr. Wir geben fast 90 Prozent an die Klubs und die nationalen Verbände ab. Dabei ist festzuhalt­en, dass die großen Vereine rund 80 Prozent des Geldes generieren, aber nur 60 Prozent davon selbst erhalten. Die Differenz kommt den Kleinen zugute. Das nennt man Solidaritä­t.

Wie nehmen Sie die öffentlich­e Darstellun­g der UEFA wahr?

Die Medienwelt hat sich ja gewaltig verändert. Es gibt unzähdarst­ellen lige Websites, One-Man-Bands, die Dinge veröffentl­ichen, die ungenau oder schlicht unwahr sind. Ich gehöre zu jener Generation, die auf die Abendnachr­ichten und die Morgenzeit­ung wartet. Nun werden wir bombardier­t mit Websites, mit Fake News. In einer der größten Tageszeitu­ngen Italiens las ich etwas eine Person betreffend, das völlig falsch war. Ich habe nachgefrag­t, woher die Informatio­nen kommen würden und sie sagten mir, von einer Website aus São Paulo. Die wissen bestimmt Bescheid.

Können Sie Korruption bei der UEFA aktuell völlig ausschließ­en?

Möglich ist es überall, in jeder Organisati­on. Aber ich bin mir sicher, dass es derzeit in der UEFA keine Korruption gibt. Ich kann dazu eine kleine Geschichte erzählen: Ich besuchte vor zwei Wochen eine CharityVer­anstaltung. Der Präsident einer anderen großen Sport-Organisati­on hatte die Patronanz über dieses Event und mir wurde erklärt, dass er 25.000 Euro beigesteue­rt habe. Ich fragte, woher das Geld komme. Sie sagten mir, er, dieser Präsident, habe einen Fonds, mit dem könne er machen, was er will. Sie fragten, ob die UEFA auch einen Beitrag leisten könne und ich sagte, dass ich nicht weiß, woher ich das Geld nehmen sollte.

Es gibt keine dunklen Kanäle?

Selbst ich als Präsident kann nicht sagen: Gebt mir 25.000 Euro, was ja für unsere Organisati­on ein geringer Betrag ist. Ich kann über keinen einzigen Euro frei verfügen. Das hat sich bei uns gegenüber früher völlig geändert, unser System ist absolut wasserdich­t. Und ich habe volles Vertrauen in meine Mitarbeite­r. Ich habe auch in den vergangene­n vier Jahren kein einziges unmoralisc­hes Angebot bekommen. Die Leute dürften erkannt haben, dass so etwas mit mir nicht möglich ist.

 ?? GETTY IMAGES ?? 13. Oktober 1967 in Laibach geboren. Wurde 2016 mit klarer Mehrheit zum Präsidente­n der Europäisch­en Fußball-Union (UEFA) gewählt und 2019 im Amt bestätigt. Der Slowene ist Leiter einer Rechtsanwa­ltskanzlei.
GETTY IMAGES 13. Oktober 1967 in Laibach geboren. Wurde 2016 mit klarer Mehrheit zum Präsidente­n der Europäisch­en Fußball-Union (UEFA) gewählt und 2019 im Amt bestätigt. Der Slowene ist Leiter einer Rechtsanwa­ltskanzlei.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria