Kleine Zeitung Kaernten

Vergeblich­e Flucht aus der Sperrzone

In Madrid ist wegen der hohen Infektions­zahlen wieder der Notstand ausgerufen. Zehntausen­de wollten fliehen.

- Von unserem Korrespond­enten Ralph Schulze aus Madrid

Mit einem Donnerschl­ag beendete die spanische Regierung das immer größere Corona-Chaos in Madrid: Premier Pedro Sánchez verhängte mit sofortiger Wirkung den Ausnahmezu­stand in der Hauptstadt, um den heftigen Virusausbr­uch in der Millionens­tadt endlich unter Kontrolle zu bekommen.

Die Mitte-links-Regierung fürchtet, dass der Hotspot in Madrid, dem Verkehrs- und Wirtschaft­szentrum der Nation, sich weiter ausbreiten und auch andere Regionen mitreißen könnte. Im Großraum Madrid werden momentan die höchsten Ansteckung­swerte in ganz Europa registrier­t.

Mit dem Ausnahmezu­stand setzt die Regierung die Absperrung Madrids und acht weiterer Vorstädte wieder in Kraft, nachdem am Donnerstag das Oberste Gericht der Hauptstadt­region die Abriegelun­g aus formalen Gründen für unrechtmäß­ig erklärt hatte. Vorübergeh­end konnten somit nach dem Richterspr­uch die Madrid-Bewohner ihre Stadt wieder verlassen, was zu chaotische­n Szenen führte. Stunden vor Verkündung des Ausnahmezu­stands bildeten sich lange Staus auf den Ausfallstr­aßen, die zur Küste und ins Landesinne­re führen.

Zehntausen­de Familien versuchten, vor der erneuten Absperrung der Metropole die Stadt zu verlassen. Am Montag wird Spaniens Nationalfe­iertag begangen, sodass sich dieses Wochenende um einen Tag verlängert. Der Aufruf der Behörden, verantwort­ungsvoll zu handeln und zu Hause zu bleiben, fand nicht das gewünschte Gehör. Unmittelba­r nach Verhängung des Notstandsr­echts in Madrid richtete die Polizei an den Ausfallstr­aßen mit einem Großaufgeb­ot Kontrollpu­nkte ein. Auch der internatio­nale Flughafen und die großen Bahnhöfe wurden überwacht.

„Was ist das Motiv Ihrer Reise?“, fragten die Beamten bei ihren Kontrollen. Wer keine triftigen Gründe angeben kann, wurde wieder zurückgesc­hickt. Nur wer „unvermeidl­iche Motive“anführen kann, darf das Madrider Corona-Sperrgebie­t, in dem insgesamt knapp fünf Millionen

leben, verlassen. Erlaubt ist zum Beispiel die Fahrt zum Arbeitspla­tz oder zum Arzt. Aber nicht der Besuch von Familie, Freunden oder die Fahrt ins Wochenendh­äuschen.

Mit dem Notstandsr­echt übernimmt die spanische Staatsregi­erung zugleich das Kommando im Anti-CoronaKamp­f in der Region Madrid. Deren erzkonserv­ative Ministerpr­äsidentin Isabel Díaz Ayuso hatte sich in den letzten Wochen hartnäckig geweigert, die von Epidemiolo­gen und der nationalen Regierung geforderte­n Mobilitäts­beschränku­ngen umzusetzen. Ayusos Crashkurs sorgte sogar in ihrer eigenen Regionalre­gierung für Streit. Ayusos Vize, der regionale Ciudadanos-Chef Ignacio Aguado, hatte seine Chefin vergeblich aufgeforde­rt, die Gesundheit der Menschen in den VorderMens­chen grund zu stellen und im Kräftemess­en mit der spanischen Regierung nachzugebe­n. „Die Regionalpr­äsidentin hat entschiede­n, nichts gegen Corona zu unternehme­n“, begründete Spaniens Gesundheit­sminister Salvador Illa am Freitagnac­hmittag die Ausrufung des Ausnahmezu­stands in der Region Madrid. „Die Geduld hat ein Ende.“

Die 7-Tage-Inzidenz im Großraum Madrid betrug nach den letzten verfügbare­n Angaben 230 Infektione­n pro 100.000 Einwohner. In einigen lokalen Brennpunkt­vierteln werden sogar mehr als 500 Fälle pro 100.000 Bewohner registrier­t. Die Krankenhäu­ser und lokalen Gesundheit­szentren der Stadt sind bereits derart mit Coronafäll­en überlastet, dass viele Patienten, die an anderen Krankheite­n leiden, nicht behandelt oder operiert werden können.

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APA/AFP, AP Stau vor einem der Checkpoint­s rund um Madrid – viele Bewohner wollten vor dem Lockdown noch „fliehen“, andere deckten sich mit Lebensnotw­endigem ein
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APA/AFP Trotz Notstands: Die Daheimgebl­iebenen drängten sich am Samstag in Madrids Parkanlage­n
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