Schaden beträgt inzwischen 2,4 Millionen
Im März 2020 ist die Millionen-Veruntreuung in der Klagenfurter Stadtkasse aufgeflogen. Nun wird die Causa auf verschiedenen Ebenen aufgearbeitet.
1. Wie verschwand das Geld 23 Jahre lang aus der Stadtkasse?
ANTWORT: Der Bericht der Wirtschaftsprüfungskanzlei KPMG zeigt vor allem zwei Muster. Es wurde Bargeld von einem Bankkonto des Magistrats Klagenfurt für die Stadtkasse behoben, ist dort aber nie angekommen. Mit 170 Transaktionen dieser Art sind 884.000 Euro verschwunden. Beim zweiten Handlungsmuster wurde Bargeld aus der Stadtkasse entnommen, aber nie auf ein Bankkonto des Magistrats eingezahlt. Etliche Belege haben nicht den erforderlichen Bankstempel, sondern lediglich den Stempel der Stadtkasse. Auf diese Weise wurden 876.000 Euro bei 106 Transaktionen abgezweigt. Seit der Pensioniede des ehemaligen Mitarbeiters im Jahr 2019 gab es, laut KPMG-Bericht, „keine Ausgaben ohne entsprechende Einzahlungen“.
2. Warum fiel der Fehlbetrag, der sich letztendlich auf 1,76 Millionen Euro belief, nicht auf?
ANTWORT: Durch die fehlenden Einzahlungen entstand am Verrechnungskonto Geldtransfer ein offener Saldo. Um diesen auszugleichen, wurde rund um den Jahreswechsel Geld von einem Bankkonto des Magistrats auf ein anderes Bankkonto transferiert. Wörtlich heißt es dazu im Bericht: „Am Verrechnungskonto Geldtransfer wurde der Geschäftsfall so abgewickelt, dass die Einnahme im laufenden und die Ausgabe im neuen Haushaltjahr erfasst wurde. Diese Buchungen wurden Anfang Jänner des Folgejahres durchgeführt. Die Vorgehensweise ist betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar, aber durch eine Regelung im VRV 1997 (Anm. d. R. Voranschlagsund Rechnungsabschlussverordnung) gedeckt. (...) Durch diese Buchungssystematik wurde die Ausgabe dem neuen Haushaltsjahr und die Einnahme dem alten Haushaltsjahr zugeordnet, wodurch der offene Saldo am Verrechnungskonto Geldtransfer ausgeglichen wurrung und die Ausgabe in das neue Haushaltsjahr vorgetragen wurde.“In 16 Fällen wurde der Saldo nicht als Gesamtbetrag, sondern durch vier Überweisungen vorgetragen, in 15 Fällen durch zwei Überweisungen.
3. Wodurch fiel der Fehlbetrag erstmals im Rathaus auf?
ANTWORT: Einer Mitarbeiterin der Gruppe Haushaltsrechnung fiel das unausgeglichene Verrechnungskonto mit dem nicht nachvollziehbaren Saldo von 1,76 Millionen auf. Beim VerHaushaltsjahr
such, das mit dem ehemaligen Mitarbeiter zu klären, habe dieser gemeint, dass dieser Saldo jedes Jahr vorhanden sei und einfach ausgeglichen werden solle. Sinngemäß soll er gesagt haben: „Wer soll denn das schon kontrollieren?“
4. Warum ist mittlerweile von einer Schadenshöhe von 2,4 Millionen Euro die Rede?
ANTWORT: Die Schadenshöhe setzt sich aus den verzinsten jährlichen Bargeldentnahmen und Bargeldbehebungen ohne Einzahlungen, Rechts- und Beratungskosten (110.000 Euro) sowie dem Aufwand der Magistratsmitarbeiter bei der Aufarbeitung (32.500 Euro) zusammen.
5. Haben die Kontrollmechanismen im Klagenfurter Magistrat versagt?
ANTWORT: Dazu heißt es im KPMG-Bericht: „Die in diesem Gutachten dargestellten Ausführungen lassen nicht auf einen Systemfehler schließen. Vielmehr geht aus den vorliegenden Unterlagen hervor, dass bewusst Handlungen gesetzt wurden, die den Bargeldabfluss aus der Stadthauptkasse verschleiern sollten.“Bürgermeisterin MariaLuise Mathiaschitz (SPÖ) und Magistratsdirektor Peter Jost sprechen zwar von „großer krimineller Energie“, üben aber auch Kritik an zwei Abteilungsleitern und zwei Mitarbeitern im Rathaus. Zum einen habe es in über 20 Jahren nie eine vertiefende Prüfung der Stadtkasse gegeben, zum anderen seien Kontrollen jedes Jahr etwa zur gleichen Zeit von den gleichen Personen auf die gleiche Weise durchgeführt worden. Darüber hinaus sei, laut Mathiaschitz, das „Vier-Augen-Prinzip“nicht durchgängig in der Stadtkasse gelebt worden. Es habe „blindes Vertrauen“gegeben.
6. Wann könnte sich das Gericht mit der Millionen-Veruntreuung befassen?
ANTWORT: Derzeit laufen die Ermittlungen noch, da die zu sichtenden Unterlagen sehr umfangreich sind. Im günstigsten Fall könnte Ende Oktober der Staatsanwaltschaft der Abschlussbericht der Polizei vorliegen. Auf Basis dieses Berichtes wird dann entschieden, ob die vorliegenden Fakten für eine Anklageerhebung ausreichen oder eventuell noch Unterlagen erforderlich sind. Ein Gerichtskorrespondierende termin in diesem Jahr erscheint also sehr unwahrscheinlich. Es wird wohl eher im Frühjahr 2021 damit zu rechnen sein.
7. Was sagt der ehemalige Magistratsmitarbeiter zu den Vorwürfen?
ANTWORT: Der Ex-Mitarbeiter, für den die Unschuldsvermutung gilt, wird vom Wiener Rechtsanwalt Norbert Wess vertreten. Dieser betont, dass sein Mandant „keinen Cent genommen“habe. Darüber hinaus pflege der Mann weder einen aufwendigen Lebensstil noch habe er ein teures Auto oder große Ersparnisse.
8. Warum prüft der Landesrechnungshof trotz des bereits vorliegenden Berichtes der Wirtschaftsprüfungskanzlei KPMG die Causa noch einmal?
ANTWORT: Die KPMG wurde von der Stadt beauftragt und für die forensische Untersuchung auch bezahlt. Der Landesrechnungshof wurde vom Kärntner Landtag beauftragt und prüft, ob Finanzmittel im Sinne der Bürger sparsam, zweckmäßig und wirtschaftlich eingesetzt wurden. Bisher hat er die Landeshauptstadt erst ein Mal, beim Verkauf der Benediktinerschule, geprüft. Damals gab es einige Kritikpunkte.