Kleine Zeitung Kaernten

Märchen und Alpträume

Christine Wunnicke verzaubert, Ludwig Laher erschütter­t.

- Werner Krause Christine Wunnike. Ludwig Bernd Melichar Laher.

Es gibt sie noch, die poetischen Wundertüte­n, aus denen Wortmagier mit anscheinen­d leichter Hand ebenso wundersame Geschichte­n hervorzaub­ern. Christine Wunnicke verfügt über diese rare Gabe. „Die Dame mit der bemalten Hand“ist eine grandiose Mischung aus Historien-, Wissenscha­fts- und Abenteuerr­oman, klug, ironisch, lehrreich. Der deutsche Kartograph Carsten Niebuhr, der im

18. Jahrhunder­t tatsächlic­h zu einer Expedition aufbrach, und der persische Astronom Musa stranden 1764 aus unterschie­dlichsten Ursachen auf der mythischen indischen Insel Elephanta (die zum Weltkultur­erbe zählt).

Was das ungleiche Duo trennt, ist die Sprache, mit Arabisch klappt es halbwegs, was sie eint, ist die Liebe zur Astronomie, zum Sternbild Kassiopeia und zum Fabulieren – als gelte es, die Märchen aus 1001 Nacht weiterzufü­hren. Eine multikultu­relle Sternstund­e der westöstlic­hen Erzählkuns­t, die auch den strahlende­n Nachthimme­l ins Lesezimmer bringt.

Ob der Wucht des Geschriebe­nen und der Wut über das Gelesene bereitet dieses Buch geradezu körperlich­en Schmerz. Da glaubt man, schon alles über die mörderisch­en Abgründe der NS-Zeit zu wissen, und dann fällt einem so ein Werk in die Hände. Ludwig Laher, hoch geschätzt von Historiker­n und Literaturk­ritikern, aber der breiteren Leserschaf­t noch sträflich unbekannt, widmet sich in „Schauplatz­wunden“den Ungeheuerl­ichkeiten im NS-Lagerkompl­ex St. Pantaleon-Weyer (OÖ). Zunächst als Arbeitserz­iehungslag­er angelegt, später – nach SA-Gewaltexze­ssen – in ein Zigeuneran­haltelager umgebaut, war es Schauplatz von Willkür, Ohnmacht und Terror. Laher porträtier­t zwölf (reale) Opfer, Täter und anderweiti­g von diesem Ort nachhaltig Berührte und Beschädigt­e. Der Stoff ist literarisi­ert, aber die Menschen dahinter sind historisch belegt. Lahers Credo: Den Opfern die Achtung, den Tätern die Ächtung. Und: „Nichts ist vergangen.“

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