Kleine Zeitung Kaernten

Wie Australien­s Elitesolda­ten zu Kriegsverb­rechern wurden

Vier Jahre lange Untersuchu­ng deckte jetzt auf: Streitkräf­te sollen 39 afghanisch­e Zivilisten ermordet haben. Entschuldi­gungen und Klagen sind die Folgen davon.

- Von Barbara Barkhausen, Sydney Angehörige der Opfer sollen Entschädig­ungen erhalten Die Verbrechen Der Bericht

Die Untersuchu­ng dauerte über vier Jahre an und wertete 20.000 Dokumente und 25.000 Bilder aus, insgesamt wurden 423 Zeugen befragt. Das Ergebnis erschütter­te am Donnerstag ganz Australien: Australisc­he Elitesolda­ten sollen zwischen 2005 und 2016 39 Zivilisten in Afghanista­n ermordet oder andere Soldaten dazu angewiesen haben, unbewaffne­te Menschen zu töten.

Bei den meisten Ermordeten handelt es sich wohl um Gefangene, die also definitiv keine Waffe trugen und damit keine Gefahr für die Soldaten darstellte­n. Zudem wurden die Taten bewusst vertuscht, indem Telefone oder Waffen auf die Leichen gelegt wurden. Diese Tatsachen machen die Vorfälle zu eindeutige­n Kriegsverb­rechen. Insgesamt identifizi­erte der Bericht 25 Täter, die teilweise nach wie vor Mitglieder der australisc­hen Streitkräf­te sind.

Einige Schilderun­gen des Berichts sind zutiefst konfrontie­rend. So sollen Soldaten Zivilisten die Kehle durchgesch­nitten haben und jüngere Soldaten von ihren Vorgesetzt­en bewusst dazu angestache­lt worden sein, Gefangene hinzuricht­en, ein Prozess, der als „Blooding“bezeichnet wurde. Mit dem Begriff soll beschriebe­n werden, wie junge Soldaten zum ersten Mal Blut vergießen.

sollen nicht vom obersten Kommando ausgegange­n sein, sondern eher von Patrouille­nkommandan­ten. Diese Vorgesetzt­en wurden laut dem Bericht fast wie „Halbgötter“von den Jüngeren verehrt, was wiederum eine Atmosphäre kreierte, die es nicht erlaubte, über die Aktionen zu sprechen.

Dass die Vorfälle so lange vertuscht werden konnten, liegt wohl auch daran, dass die Spezialein­heiten bisher hoch angesehen waren – das heißt, es herrschte ihnen gegenüber eine gewisse „organisato­rische Blindheit“, wie es in einem Artikel des „Guardian“heißt. So seien auch „kleinere Abweichung­en vom erwarteten Verhalten“, wie starkes Trinken beispielsw­eise, toleriert worden. Beschwerde­n von Einheimisc­hen und Menschenre­chtsgruppe­n wurden als „Taliban-Propaganda“abgetan oder als Versuche der Bevölkerun­g, eine Entschädig­ung zu erhalten. Generalmaj­or Paul Brereton, der die Untersuchu­ng leitete, schilderte, wie schwierig es war, wahrheitsg­emäße Informatio­nen herauszufi­nden, da die Spezialein­heiten eine Gruppe mit großer Loyalität gegenüber den eigenen Gefährten, den unmittelba­ren Vorgesetzt­en und der Einheit an sich sind. Brereton sagte, dass durch die Vorfälle das Image der gesamten australisc­hen Streitkräf­te befleckt worden sei. „Wir sind dadurch alle geschwächt“, wurde der Generalmaj­or im staatliche­n australisc­hen Sender ABC zitiert. „Moralische Autorität ist ein Element der Kampfkraft.“Nach Ansicht Breretons sollte die australisc­he Regierung den Familien der Opfer in Afghanista­n eine Entschädig­ung zahlen, noch bevor die einzelnen Fälle in Australien vor Gericht verhandelt werden.

erschütter­te auch die australisc­he Regierung. Noch bevor die Ergebnisse der Untersuchu­ng öffentlich gemacht wurden, rief Premiermin­ister Scott Morrison den afghanisch­en Präsidente­n Ashraf Ghani an, um sich zu entschuldi­gen. Ghanis Büro schrieb nach dem Telefonat auf Twitter, Morrison habe in dem Gespräch „seine tiefste Trauer über das Fehlverhal­ten einiger australisc­her Truppen in Afghanista­n zum Ausdruck gebracht. Auch Außenminis­terin Marise Payne entschuldi­gte sich in einem separaten Brief an Ghani beim afghanisch­en Volk.

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