Kleine Zeitung Kaernten

Schmerzhaf­te Lehren

Wer am gesellscha­ftlichen Leben teilhaben will, muss sich künftig testen lassen. Eine zumutbare Maßnahme, angesichts der Zumutung, die diese Pandemie darstellt.

- Veronika Dolna veronika.dolna@kleinezeit­ung.at

Beinahe nahtlos geht der Herbstlock­down, der erst „soft“und dann härter war, in einen Winterlock­down über. Geschäfte, Frisiersal­ons, Museen müssen nach Weihnachte­n wieder schließen. Restaurant­s und Hotels dürfen erst gar nicht aufsperren. Beendet wird der Lockdown mit Massentest­s, die nur mehr bedingt freiwillig sind: Wer diesmal nicht zum Coronatest geht, muss länger in Quarantäne bleiben. „Freitesten“nennt das die Regierung, „Zwangstest“die Opposition. Immerhin: „Eine „Weihnachts­ruhe“hat SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner gefordert, eine „Winterruhe“hat die türkis-grüne Regierung daraus gemacht. Der beschaulic­he Name darf nicht über die Schmerzhaf­tigkeit der Maßnahmen hinwegtäus­chen: Für Regionen, die vom Skitourism­us leben; für Geschäfte und Betriebe, denen die Chance auf Umsatz genommen wird; für die Psyche von jedem und jeder Einzelnen.

Noch schmerzhaf­ter ist aber die Lehre aus dem Herbstlock­down: Im zehnten Monat der Pandemie hat sich das Konzept Eigenveran­twortung abgenutzt.

Es gibt keine Regel, die nicht ausgereizt wurde. Kein Schlupfloc­h, das nicht gesucht und gefunden wurde. Keine Ausnahme, für die keine Rechtferti­gung parat war. Kostenlose Testangebo­te wurden großzügig ausgeschla­gen, teils mit dem haarsträub­enden Argument, bei einem positiven Ergebnis nicht in Quarantäne zu wollen. Niemand kann die Mitverantw­ortung, die er oder sie für die Situation trägt, von sich weisen.

Gleichzeit­ig darf die Regierung den mangelnden Gemeinscha­ftssinn mancher nicht zum Vorwand nehmen, ihre eigene Verantwort­ung abzuschieb­en. Ihr Krisenmana­gement wurde zusehends löchriger, gespickt mit ambivalent­en Botschafte­n und Signalen: Noch am Mittwoch erklärte der Gesundheit­sminister öffentlich, was getan werden müsse, um einen dritten Lockdown zu verhindern, bevor er ihn am Freitag ankündigte.

Weihnachts­feiern mit bis zu zehn Personen bleiben erlaubt, gleichzeit­ig spricht der Bundeskanz­ler von „dramatisch­en epidemiolo­gischen Auswirkung­en“der Feiertage.

An ihrem Widerspruc­hsmanageme­nt muss die Regierung ebenso feilen wie am Erwartungs­management: Es war kühn vom Bundeskanz­ler, ein Weihnachte­n wie früher in Aussicht zu stellen, wenn nur genügend Menschen an Massentest­s teilnehmen. Und es scheint optimistis­ch, darauf zu bestehen, dass im Sommer wieder Normalität einkehrt. Fest steht bis jetzt nur: Auch nach diesem Lockdown wird unser Leben noch lange nicht normal sein.

S chon allein, weil sich Mitte Jänner jeder testen lassen muss, um am gesellscha­ftlichen Leben teilzunehm­en. Die Entscheidu­ng ist hart, aber unmissvers­tändlich. Nie war deutlicher als in der Pandemie, wie viel Verantwort­ung jeder Einzelne für das Gemeinwohl trägt. Abzuklären, ob man selbst eine Gefahr für andere darstellt, ist jedem zumutbar, um die Zumutung, die diese Pandemie für uns alle darstellt, so bald wie möglich zu beenden.

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