Lest, lest!
Die weihnachtlichen Buchempfehlungen der Kulturredaktion.
MARIANNE FISCHER
Ein Forrest Gump im isländischen Nirgendwo: Kalmann, der Haifischer, wacht als selbst ernannter Sheriff über einen aussterbenden Ort, in dem nicht nur Drogenhändler ihr Unwesen treiben. Sein naiv-schlauer Blick auf die Welt rückt vieles in eine neue Perspektive. Ungewöhnliches vom Rand der Welt.
Joachim B. Schmidt. Kalmann. Diogenes, 352 Seiten, 22,90 Euro
Eine fiktive Geschichte, eng angelehnt an tatsächliche Geschehnisse: Anfang der 1990er-Jahre wird ein schwarzes Mädchen von einer koreanischen Einwanderin erschossen. 30 Jahre später kochen die Ereignisse wieder auf. Präzise erzählter Roman über Rassismus, Rache, Reue und Vergebung.
Steph Cha. Brandsätze. Ars vivendi, 336 Seiten, 22,90 Euro
Vor 40 Jahren verschwand eine Lehrerin. Ihre Tochter will endlich wissen, was damals passiert ist. Robert Galbraith (eigentlich Joanne K. Rowling) lässt die Privatermittler Cormoran Strike und Robin Ellacott in einem Cold Case ermitteln, und das auf über 1000 großartig geschriebenen Seiten. Ein Tipp für lange Leseabende.
Robert Galbraith. Böses Blut. Blanvalet, 1200 S., 26,80 Euro
UTE BAUMHACKL
„Zeitstück“, das Etikett ist rasch affichiert. Aber: In einer Phase, in der alles Zusammenleben radikal hinterfragt ist, entwirft diese Geschichte einer dementen alten Frau und ihren jungen Helfer die Vorstellung eines zärtlichen Miteinanders – und findet dafür eine einmal karge, dann üppige, stets bewegende Sprache.
Delphine de Vigan. Dankbarkeiten. Dumont, 176 S., 20,60 Euro.
Abgeschlossene Vergangenheit: ein mürbes Konstrukt. Diese Erfahrung macht Designer Sina, als er sich seinem früheren Leben als Kindersoldat im Golfkrieg stellen muss. Ein großer Gegenwartsroman über Sinnsuche, Verantwortung und unsere fabrizierten Ideen von Ost & West.
Nava Ebrahimi. Das Paradies meines Nachbarn. btb, 224 Seiten, 20,90 Euro
Am Beispiel dreier Frauenleben erzählt Lisa Taddeo von weiblicher Sexualität und davon, wie schwierig es im 21. Jahrhundert noch immer ist, das Begehren von Frauen zu beschreiben – nicht zuletzt, weil ihre Beziehungsvorstellungen nach wie vor von männlichen Wunschbildern dominiert sind. Ein Buch, das fesselt und erschüttert.
Lisa Taddeo. Drei Frauen. Piper, 416 Seiten, 22,70 Euro
K. WALDNER-PETUTSCHNIG
Vom Piano der Zaren bis zum Klavier einer mongolischen Pianistin reichen die Geschichten rund um die unglaubliche Pianomanie in Sibirien. Am Ende der Welt gibt es Musik – und Klaviere. Schön! Poetisch und fein recherchiert.
Sophy Roberts. Sibiriens vergessene Klaviere. Übersetzt von Brigitte Hilzensauer. Zsolnay, 400 Seiten, 26,80 Euro.
Er reiste als Pilger verkleidet nach Mekka, suchte die Quellen des Nils und war schließlich noch Konsul in Triest: Richard Francis Burton war Orientalist und Abenteurer des 19. Jahrhunderts. Seine Biografie ist ein Wälzer, aber lesenswert.
Mary S. Lovell.
Das abenteuerliche Leben. Übersetzt von Alfred Goubran. Braumüller, 992 Seiten, 39 Euro.
Eine Gedenktafel in der Risiera di San Sabba, dem einstigen KZ in Triest, verweist auf die authentische Vorlage zu diesem Roman. Die tragische Liebesgeschichte verknüpft Fakten und Fiktion zu einer spannenden Familiensaga – nicht nur für Fans der Hafenstadt.
Christian Klinger. Die Liebenden von der Piazza Oberdan. Picus, 320 Seiten, 25 Euro.