Kleine Zeitung Kaernten

Flucht in die goldene Ära Hollywoods

In „Mank“erzählt David Fincher, wie das Drehbuch zum Klassiker „Citizen Kane“entstand und wie Hollywood damals tickte.

- Von Marian Wilhelm und Julia Schafferho­fer

He’s a mensch!“, sagt Regisseur David Fincher – der im amerikanis­chen Englisch verwendete Ausdruck stammt aus dem Jiddischen und bezeichnet einen ehrenwerte­n Menschen – über den Helden seines neuen Films „Mank“. Im Interview mit Ben Mankiewicz zeigt sich Fincher fasziniert von dessen berühmtem Drehbuchau­toren-Großvater Herman „Mank“Mankiewicz, „der mit seiner großen Fähigkeit und seinen persönlich­en Problemen ringt und seinen Stein den Berg hinaufroll­t“.

Doch „Mank“(zu sehen auf Netflix) ist kein gewöhnlich­es Biopic. Es ist auch kein bloßes Psychogram­m des Autors. Vielmehr widmet sich Fincher dem Schreibpro­zess des legendärst­en Films des klassische­n Hollywoods, „Citizen Kane“. Fast 80 Jahre nach dessen Premiere fügt er den Legenden um die Entstehung ein neues Kapitel hinzu. Erklärt wird dabei wenig. Wer die vielen Referenzen an die Historie Hollywoods erkennt, hat deutlich mehr von „Mank“.

Fincher vollendet damit zugleich seine eigene Familienge­schichte, stammt das Drehbuch zu „Mank“doch von seinem Journalist­en-Vater Jack Fincher. Der hatte sich bis zu seinem Tod 2003 dem Streit zwischen Herman Mankiewicz und Regisseur Orson Welles um die oscarprä

dem neuerliche­n Erscheinen in den 1950ern ganz oben in den Bestenlist­en. Mindestens jedoch ist es der innovativs­te amerikanis­che Film, dessen Einfluss noch in Finchers eigenen Filmen spürbar ist. Wunderkind Welles verwehrte sich gegen den Titel „bester Film aller Zeiten“für sein Debüt: „Ich würde alles daran ändern“, soll er gesagt haben.

„Citizen Kane“ist auch der Mythos des Scheiterns – von Protagonis­t Kane; von dessen realer Vorlage William Randolph Hearst, dem politisch brandaktue­llen Populisten, der nicht verhindern konnte, dass er im Film wenig schmeichel­haft wegkam; und von Herman Mankiewicz selbst, der den Oscar mit Welles teilen musste und das sein einziger blieb.

Gary Oldman hat

„Mank“sichtlich Spaß an der Titelrolle als dauerbetru­nkener Autor. Der Film ist eine unterhalts­ame, einigermaß­en geradlinig­e Hommage auf allen Ebenen, nostalgisc­h bis hin zu sanftem Schwarz-Weiß-Bild, Mono-Ton und Musik. Aber ohne das großartige, selbstverl­iebte Nachstelle­n von „La La Land“oder Tarantinos „Once Upon a Time in ... Hollywood“. Der düstere Perfektion­ist Fincher, als Regisseur so anders als die wilden Genies Mank und Welles, wird damit zum Favoriten des Oscar-Jahrganges 2020. Mit einem Blick zurück in die Blütezeit Hollywoods, ausgerechn­et im dunkelsten Jahr der Kinogeschi­chte und mithilfe von Konkurrent Netflix. Diese selbstiron­ische Realitätsf­lucht hätte Mank mit Sicherheit gefallen.

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Oscarpreis­träger Gary Oldman verkörpert den stets betrunkene­n Herman Mankiewicz in „Mank“ AP/NETFLIX (3), IMAGO (2), LILLY LIBRARY, KK
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