Gute Quoten, schlechte Zeiten
2020 hatte für die Medien zwei Gesichter und war ein Jahr der Weichenstellung.
Jobabbau, Rekordquoten, Streaming-Boom, Kostendruck, TikTok und Österreichs Absturz im Ranking der Pressefreiheit. Viele, aber nicht alle maßgeblichen Medienentwicklungen 2020 lassen sich auf den pandemischen Ausnahmezustand zurückführen. Tatsächlich beschleunigte Corona Marktverschiebungen und Tendenzen, die sich schon zuvor abgezeichnet hatten. Wie bitter sich diese darstellen können, erlebte die als „Mutter der öffentlich-rechtlichen Sender“bezeichnete BBC: 450 Stellen wurden gestrichen, Generaldirektor Tony Hall nahm freiwillig den Hut und der politische Druck nahm zu, während den BBC-Mitarbeitern ein strenges Regelkorsett auferlegt wurde.
Sparen und Stellenabbau stehen auch beim ORF an, der 2020 zwiespältig und beispielhaft für die gesamte Medienbranche bilanziert: Rekordreichweiten im Frühjahr (die höchsten Quoten seit Einführung des Teletests) und Zugewinne bei der Glaubwürdigkeit stehen erhebliche Rückgänge im Werbegeschäft gegenüber, die teilweise durch Sondermedienförderungen abgefedert wurden.
Hart traf Corona die private Konkurrenz: ATV und Puls 4 haben zusätzlich mit stagnierenden beziehungsweise sinkenden Marktanteilen zu kämpfen. Spannend bleibt hingegen das Duell der kleinen Newssender: Wolfgang Fellners im Kontext der Wiener Terrorberichterstattung stark kritisierte oe24.tv hat heuer die Ein-Prozent-Grenze überschritten und liegt damit knapp vor dem 2019 gegründeten Puls 24. Ein richtungsweisendes Jahr war 2020 für Servus TV. Ein deutliches Quotenplus, der Erwerb teurer Sportrechte (Fußball, Formel 1) und die umstrittene Positionierung in der Coronafrage sind Ausrufezeichen des Mateschitz-Senders für die kommenden Jahre, in denen Servus TV zu ORF 1 aufschließen will. Der ORF-Unterhaltungssender konnte indes seinen Quotenschwund deutlich bremsen. Dennoch bleibt der Weg zu einer nachhaltigen Neupositionierung für den kriselnden Sender noch ein weiter.
Während sich das Medienjahr 2020 hochdynamisch verhielt, blieben die medienpolitischen Baustellen unangetastet: Erneut vergeht ein Jahr, ohne dass ein gesetzlicher Rahmen für die künftige Struktur des ORF beschlossen wurde. Wer dort künftig die Zügel in der Hand halten wird, entscheidet sich im Sommer. Dass der aktuelle Generaldirektor, Alexander Wrabetz, noch einmal antritt, ist anzunehmen, aber noch nicht offiziell bestätigt.