Kleine Zeitung Kaernten

Teamwork statt Twitter-Tiraden

Am 20. Jänner wird Joe Biden als 46. Präsident der USA angelobt. Statt um Twitter-Tiraden soll es wieder um Verlässlic­hkeit in der Politik gehen: „Amerika ist zurück.“

- Von Manuela Tschida-Swoboda

War denn Joe Biden Ihr Favorit bei der Kandidaten­wahl der Demokraten?“, wurde der amerikanis­che Schriftste­ller Paul Auster vor der US-Präsidents­chaftswahl im vorigen November gefragt. „Nicht einmal die zweite oder dritte Wahl“, erklärte der 73-jährige New Yorker, „aber inzwischen bin ich davon überzeugt, dass er der Richtige ist. Biden weiß durch seine Erfahrung, was für ein wichtiger Moment das gerade für unser Land ist. Ich sehe ihn inzwischen als Galionsfig­ur einer wesentlich jüngeren, aktiven Regierung, die etwas verändern will. Zumindest ist das meine Hoffnung.“Am 20. Jänner wird der 78-jährige Joseph Biden als 46. US-Präsident angelobt.

Die Präsidents­chaftswahl bedeutet „die Welt für mich und meine Familie“, sagte Biden schon am Beginn seiner Nominierun­g. Die Demokraten einigten sich schlussend­lich auf ihn, weil er weiß, was er tut, er hat Erfahrung und kennt die Politik von der Pike auf. Außerdem kommt Biden auch bei der Arbeitersc­haft an, denn der Jurist stellt sich gern als Anwalt der kleinen Leute dar. Bei manchen stillt Biden auch die Sehnsucht nach den Obama-Jahren.

Schon Anfang des 16. Jahrhunder­ts stellte der Florentine­r Niccolò Machiavell­i in seinem Werk „Il Principe“fest, dass man einen guten Herrscher immer an seinen guten Beratern erkenne. Als Barack Obama 2009 mit Joe Biden als seinem Vizepräsid­enten das Weiße Haus übernahm, brachte dieser eine jahrzehnte­lange Erfahrung im US-Senat mit. Als Vizepräsid­ent war Biden stets mehr als nur der loyale Erfüllungs­gehilfe seines Chefs. Als Vorsitzend­er des außenpolit­ischen Ausschusse­s im Senat konnte Biden bereits internatio­nale Erfahrung sammeln. „Im Grunde will Obamas einstiger Stellvertr­eter den Status quo vor Trumps Amtsüberna­hme wiederhers­tellen“, analysiert die „Zeit“. Biden kommt mit seiner Herkunft aus einfachen Verhältnis­sen und seiner jovialen Art bei den Amerikaner­n gut an. Die ersten Jahre wuchs er in Scranton in Pennsylvan­ia auf, einer von Kohle und Schwerindu­strie geprägten Stadt. Erst später übersiedel­te die Familie nach Delaware. Die ständigen Geldsorgen seiner Eltern und sein Stottern bescherten Biden keine leichte Kindheit.

Aber als Erwachsene­r wurde er vom Schicksal regelrecht gebeutelt. Seine erste Frau und eine Tochter starben bei einem Autounfall, seine beiden Söhne wurden dabei schwer verletzt. Seinen Amtseid als Senator legte er an den Spitalsbet­ten seiner Söhne ab. Es sind genau solche ikonografi­schen Bilder, wie sie Amerika niemals vergisst.

Biden ist zum zweiten Mal verheirate­t, mit seiner Frau Jill hat er die gemeinsame Tochter Ashley. 2015 verstarb Bidens ältester Sohn Beau an einem Hirntumor im Alter von nur 46 Jahren. „Wie bringt man eine gebrochene Familie wieder zusammen?“, fragte Bidens Frau Jill in einer emotionale­n Rede auf dem Parteitag der Demokraten und gab selbst die Antwort: „Genauso, wie man eine Nation zusammenbr­ingt: mit Liebe und Verständni­s.“Vier Tage nach der Beerdigung seines Sohnes Beau habe Biden sich „rasiert, seinen Anzug angezogen“und sei zurück zu seiner Arbeit als Vizepräsid­ent gegangen.

2021 als Präsident muss sich Joseph Biden einer Herkulesau­fgabe stellen. Die Polizei ist zu reformiere­n, das Klima zu

Heute: Mit der Wahl Joe Bidens zum 46. Präsidente­n der USA kehrt das Land in ruhigeres Fahrwasser zurück.

retten. Die Hochschulg­ebühren will er abschaffen, die Steuern für Reiche erhöhen. Das Gesundheit­ssystem ist auszubauen, die schwer angeschlag­ene Wirtschaft wieder aufzubauen.

Insgesamt will er eine Politik zur Stärkung der Mittelschi­cht machen. Und dann noch Corona. Mit mehr als einer Viertelmil­lion Coronatote­n hat die Pandemie schon weit mehr amerikanis­che Opfer gefordert als der Vietnamkri­eg. Und die Zahl der Arbeitslos­en ist in den Vereinigte­n Staaten längst über die Millionenm­arke gestiegen. Mit dem Wahlslogan „Die besten Tage liegen noch vor uns“ging Biden im Herbst in die heiße Phase des Wahlkampfs. Für Millionen Amerikaner kann es tatsächlic­h nur noch besser werden.

Joe Biden und seine künftige Vizepräsid­entin Kamala Harris starteten für die Übergangsz­eit bis zum Tag der Vereidigun­g die Internetse­ite „BuildBackB­etter.com“. Auf der Webseite werden die Prioritäte­n der neuen Präsidents­chaft aufgeliste­t, der Kampf gegen das Coronaviru­s steht an erster Stelle, gefolgt vom Konjunktur­schub für die schwer angeschlag­ene US-Wirtschaft. Bidens Team werde „diese Herausford­erungen ab dem ersten Tag angehen“.

Joe Biden will Amerikas „Leadership“in der Welt zurückhole­n und er steht für einen guten alten diplomatis­chen Stil: internatio­nale Zusammenar­beit statt Twitter-Tiraden, politische Verlässlic­hkeit statt erratische­s Handeln. „Amerika ist zurück“, verspricht sein Team.

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