Kleine Zeitung Kaernten

Showdown am Dreikönigs­tag

Italiens Regierungs­krise spiegelt Ambitionen zweier geschwächt­er Politiker wider.

- Von unserem Korrespond­enten Julius Müller-Meiningen

Italien ist das europäisch­e Land mit den bislang meisten Todesopfer­n der Pandemie. Mehr als 75.000 Menschen starben an Covid-19. Nun ist die Impfkampag­ne angelaufen, weiterhin gibt es Ausgangssp­erren und Einschränk­ungen. Die römische Politik ist allerdings in erster Linie mit sich selbst beschäftig­t. Heute, am Dreikönigs­tag, oder kurz darauf wird sich zeigen, ob das Land auch politisch tief in die Krise schlittert. Dann soll es zu einem Kräftemess­en zwischen zwei Männern mit starkem Geltungsbe­dürfnis, aber begrenztem Einfluss kommen: Premiermin­ister Giuseppe Conte und sein Herausford­erer, Ex-Ministerpr­äsident Matteo Renzi.

Regierungs­krisen sind für Italien mit seinen 67 Exekutiven in der Nachkriegs­zeit zwar fast schon Routine. Aber einen Bruch während eines nationalen Notstands mit dramatisch­en Folgen für die Bevölkerun­g hat es noch nicht gegeben. Dass es in Italien zu Neuwahlen während der Pandemie kommt, ist derzeit nicht ausgeschlo­ssen.

Der parteilose, 56 Jahre alte Regierungs­chef aus Apulien regierte während der Pandemie vor allem per Dekret und sammelte mit resolutem Vorgehen zunächst Sympathien bei der Bevölkerun­g. Seine Methoden gerieten zum Ende des vergangene­n Jahres zunehmend in Kritik. Als der Premier Anfang Dezember spätnachts einen Plan zur Verteilung der EU-Fördergeld­er vorlegte, den das Kabinett am folgenden Morgen absegnen sollte, begann die Krise. Ex-Ministerpr­äsident Matteo Renzi, Chef der Splitterpa­rtei „Italia viva“, deckte das drastische Vorgehen auf und kritisiert­e Contes Plan zur Verteilung der 209 Milliarden Euro, die für Italien aus dem „Next Generation“-Fonds mit insgesamt 750 Milliarden Euro vorgesehen sind. Eine Taskforce Dutzender von drei Ministern ernannter Experten hätte laut Conte über die Verteilung der EU-Gelder bestimmen sollen. Renzi warnte vor Klientelpo­litik und drohte mit dem Bruch. Seinem Alternativ­plan zur Verteilung der EU-Hilfsgelde­r gab er den proNamen „Ciao“. Ein Abschiedsg­ruß an Conte?

Vordergrün­dig geht es um die Verteilung der Milliarden­hilfen aus Brüssel. Renzi verlangt zudem den Rückgriff auf die 36 Milliarden Euro aus dem Europäisch­en Stabilität­smechanism­us für Gesundheit­sausgaben, den die Fünf-Sterne-Bewegung aus ideologisc­hen Gründen boykottier­t. Sie behauptet, Italien riskiere, sich von der „Troika“bevormunde­n zu lassen. Auch eine Umverteilu­ng der Posten im Kabinett steht zur Debatte. Renzi droht mit dem Bruch. Der Ex-Ministerpr­äsident hat seinen Rücktritt infolge eines verlorenen Verfassung­sreferendu­ms 2016 noch nicht verwunden. 2019 trat er aus dem sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o aus und gründete die linkskonse­rvative Partei „Italia viva“. Deren 18 Senatoren benötigt Conte zum Weiterregi­eren. Auch Renzi würden Neuwahlen schaden, „Italia viva“bekäme laut Umfragen weniger als fünf Prozent. Rechtsanwa­lt Conte, der sich einst als Sympathisa­nt der Linken erklärte, aber vor der Parlaments­wahl 2018 als Ministervo­kativen

kandidat der damals prosperier­enden Fünf-Sterne-Bewegung aufstellen ließ, stand erst der Populisten­regierung aus Sternen und der rechten Lega Matteo Salvinis vor. Als Salvini 2019 den Bruch provoziert­e, wechselte die Regierungs­mehrheit. Sterne und Sozialdemo­kraten taten sich gegen Salvini zusammen. Conte blieb Ministerpr­äsident, aber als parteilose­r Führer ist er seit jeher ohne politische Hausmacht. Zwei angeschlag­ene Politiker messen in Rom ihre Kräfte. Das wäre kaum der Rede wert, stünde für Italien nicht so viel auf dem Spiel.

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AP Kräftemess­en in Italien: Steht Premiermin­ister Giuseppe Conte vor seinem Abgang?

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