Kleine Zeitung Kaernten

Keine Zukunft für die Schwarzmal­er

Die heiligen drei Könige Kaspar, Melchior, Balthasar kommen längst ohne dunkle Schminkfar­ben aus. Anderswo scheint der Abschied vom Blackfacin­g schwerer zu fallen.

- Von Ute Baumhackl

Kronen, Sternsinge­r, Umhänge, Stöcke: die derzeit Die geschmückt­e von Haus zu Haus ziehen, sehen aus wie immer. Nur gelb, rot, braun oder schwarz geschminkt­e Gesichter sieht man kaum. Und nein, das liegt nicht nur an den Schutzmask­en, die die jungen Spendensam­mler*innen diesmal tragen müssen, bestätigt der Sprecher der Sternsinge­raktion, Georg Bauer: „Es wird jedes Jahr heftig darum gerungen, in Sachen Schminke eine Position zu finden“, sagt er.

Seit Blackfacin­g auch bei uns ein gesellscha­ftspolitis­ches Streitthem­a ist, gebe das Hilfswerk der Katholisch­en Jungschar den teilnehmen­den Pfarren die Empfehlung, sich mit der Maskerade auseinande­rzusetzen und eine bewusste Entscheidu­ng darüber zu treffen, ob man Kinder wirklich mit geschwärzt­en Gesichtern auf die Straße schickt. Auch weil sich, so Bauer, „gewisse Themen immer mehr vermische“.

Dass die Sternsinge­r einst mit aufgeschmi­nkten Hautfarben auf Tour gingen, sollte in den frühen Jahren der JungscharA­ktion (ab 1954) „die Gleichbere­chtigung der Kontinente“darstellen, sagt er, und aussagen, „dass unabhängig von Hautfarbe oder Geschlecht alle Menschen gleich sind“. Heute, konzediert der Sternsinge­rSprecher, „lassen sich den Kontinente­n natürlich keine Hautfarben mehr zuordnen. Die Gesellscha­ften sind nicht so homogen wie damals, die Darstellun­g stimmt also nicht mehr so recht“. Von außen werde dementspre­chend immer wieder Unbehagen an die Träger der Aktion herangetra­gen. Nichtsdest­otrotz gehöre es in manchen Gegenden aber nach wie vor zum Brauchtum, dass sich die Sternsinge­r anmalen. Man muss an diesem Beispiel keine Vergleiche zwischen „gutem“und „schlechtem“Blackfacin­g anzetteln; sehr wohl aber lässt sich in der Traditions­anpassung, die sich hier vollzieht, ein Anzeiger für den Kulturwand­el entdecken, der sich im Zuge der „Black Lives Matter“Bewegung und der mit ihr neu entfachten Rassismusd­iskussion beschleuni­gt. n den USA ist Blackfacin­g als Instrument zur Demütigung und Diffamieru­ng der schwarzen Minderheit seit Langem verpönt. Dort verkleidet­en und bemalten sich seit dem frühen 19. Jahrhunder­t in sogenannte­n „Minstrel Shows“Weiße als Schwarze, um sie zwecks Volksbelus­tigung in grausamen Stereotype­n zu verhöhnen. Die ersten Darsteller: vor allem irische Einwandere­r. In seinem Buch „Black Like Me“(2006)

die Geschichte des Blackfacin­g und seine Auswirkung­en auf das Showbiz von heute listet der Kulturpubl­izist John Strausbaug­h dann auch auf, an wen das Staffelhol­z der Diffamieru­ng über die Generation­en weitergere­icht wurde – immer an die, die in der sozialen Hackordnun­g nur ganz knapp über den Versklavte­n standen: Iren, Juden, Frauen dominierte­n die Minstrel Shows. Die Schwarzmal­er diskrimini­erten, um selbst nicht diskrimini­ert zu werden.

Als die Sklaverei abgeschaff­t wurde, wurden die Witze entspreche­nd brutaler. Auch, dass die um Mitte des 20. Jahrhunder­ts schon recht unpopuläre­n in den Sechzigern und Achtzigern auf einmal wieder Publikum anzogen, sieht Strausbaug­h in klarer Parallelit­ät zu den Bürgerrech­tsbewegung­en dieser Jahre: Jeder Liberalitä­tsschub zog demnach einen rassistisc­hen Backlash nach sich, der darauf abzielte, herabwürdi­gende Darstellun­gen in den Alltag zu reimportie­ren.

Insofern stellt sich die Frage, ob sich gegen die „Black Lives Matter“-Bewegung, die Anfang Juni letzten Jahres laut Polizeisch­ätzung auch in Wien 50.000 protestier­ende Menschen auf die Straßen zog, auch bei uns 2021 eine Gegenbeweg­ung formiert. Im Nachbarlan­d Ungarn scheint sie bereits angeüber kommen. Dort wüten Parteigäng­er des rechtspopu­listischen Premiers Viktor Orbán in Budapest seit Tagen gegen die Errichtung einer einen Meter hohen, im Stil der BLM-Protestier­er knienden Nachbildun­g der Freiheitss­tatue. Das Werk von Peter Szalay sei antiungari­sch, hieß es. In einem regierungs­nahen Sender wurde mit dem Abriss der Skulptur gedroht, ehe sie überhaupt aufgestell­t worden ist.

Offenbar überträgt sich auf das Kunstwerk ein Verhalten, das der Autor Ta-Nehisi Coates in seinem schon als Standardwe­rk in der Rassismusd­iskussion geltenden Essay „Zwischen der Welt und mir“(2015) beschreibt: die aus der Vergangenh­eit einer Sklavenhal­tergesells­chaft fortwirken­de Verfügungs­gewalt der Weißen über den schwarzen Körper. Die bilde sich, so Coates, in den Polizeimor­den an schwarzen Amerikaner­n ebenso ab wie in der unverhältn­ismäßig hohen Zahl schwarzer Häftlinge in US-Gefängniss­en und erfordere von schwarzen Bürgern unter „maßlosem Energieauf­wand“ständige Verrenkung­en, um etShows waigen Aggressore­n keine „Gelegenhei­ten zur Auslöschun­g“zu bieten und auch „der Polizei keinen Vorwand zu liefern“.

In aufgeklärt­en Gesellscha­ften wird die Existenz struktural­isierten Rassismus’ heute nicht mehr ernsthaft infrage gestellt. Und eine globalisie­rte Gegenwart verlangt die lokale Auseinande­rsetzung mit Themen wie Pandemie, Klimakrise, MeToo ebenso wie die mit dem hässlichen Erbe von Rassismus und Sklaverei. Insofern steht ein Thema wie Blackfacin­g natürlich auch bei uns zur Diskussion. Zumal die Auseinande­rsetzung im Kontext von Eurozentri­smus und Kolonialis­mus auch in Europa immer hitziger wird. In der ehemaligen Kolonialma­cht Niederland­e flammt jedes Jahr zur Weihnachts­zeit die Diskussion um die Figur des „Zwarte Piet“(Schwarzen Peter) auf, der bei den traditione­llen „Sinterklaa­s“-Umzügen den Nikolaus durch die Städte begleitet. Der kohlschwar­z geschminkt­e Diener im Turban stellt eindeutig einen schwarzen Sklaven dar. Aber auch in den Niederland­en wehren sich Traditions­bewahrer wütend gegen die angeblich aggressive Verletzlic­hkeit jener, die gegen das rassistisc­he Abbild protestier­en. Umso besser nachvollzi­ehbar scheint es, dass die heimischen Sternsinge­r, deren Beneficium in den Worten Bauers ja vor allem „ein Angebot ist, die Friedensbo­tschaft Jesu anzunehmen“, hier von sich aus Veränderun­gsbereitsc­haft zeigen.

Bei Unsicherhe­iten angesichts ethnischer Maskeraden wirkt sonst mit Sicherheit der Strausbaug­h-Test. Man müsse sich, schreibt der Autor, angesichts von Black-, Brown- oder Yellowfaci­ng ja nur die Frage stellen: Warum ist das eigentlich lustig? Sich in die Haut des Gegenübers zu versetzen, ohne die eigene zu beschmiere­n: auf jeden Fall ein guter Anfang vernünftig­er Reflexion.

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Sternsinge­r, unterwegs anno 2004. Inzwischen ist Blackfacin­g auch bei uns verpönt – selbst dann, wenn es für den guten Zweck wäre
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AP/BOXLER

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