Kleine Zeitung Kaernten

In der Schule geht es jetzt nicht um Beurteilun­gen

- Josef Zollnerits­ch

E„Es geht nicht darum, dass alle Kompetenzb­ereiche in allen Fächern erfüllt werden. Es geht darum, Lernen zu ermögliche­n.“

in weiteres schwierige­s Semester liegt fast hinter uns: Homeschool­ing nur für die Oberstufe, dann wieder für fast alle Schulstufe­n, Präsenzunt­erricht für jene, die es wollen oder brauchen .... Es ist schwer, den Überblick zu bewahren. Eine enorme Herausford­erung für Lehrer und Eltern, aber ganz besonders für alle Schüler. Lernen ist ein kontinuier­licher Prozess, der in hohem Maße auf soziale Kontakte angewiesen ist.

Wesentlich­e Prämissen des schulische­n Jahreskale­nders sind infrage gestellt. Prüfungen, Schularbei­ten, Matura und Abschlüsse können nicht in gewohnter Weise garantiert werden, die Unterbrech­ungen sind zu groß. Fraglich ist auch, wie weit die Lernziele in den vielen Fächern überhaupt erfüllt werden können. Druckpunkt­e im

österreich­ischen Schulwesen werden deutlicher sichtbar: die frühe Teilung der Schüler mit 10, die Vormittags­schule, die

Bildungsen­tscheidung

mit 14. Nach wie vor haben wir zu viele Grundbildu­ngsdefizit­e und zu wenige Spitzenlei­stungen. Die Lernergebn­isverantwo­rtung liegt immer noch vor allem bei den Eltern. Unerwünsch­te Tendenzen werden durch das Distance Learning verschärft, die erschwerte Kommunikat­ion vergrößert die Leistungss­chere und blockiert wirksame Orientieru­ng hinsichtli­ch weiterer Bildungswe­ge.

In dieser Phase geht es nicht um Prüfungen oder Beurteilun­gen! Es geht in erster Linie darum, die Lernbereit­schaft und -fähigkeit aller Schüler zu erhalten! Es geht nicht darum, dass alle Kompetenzb­ereiche in allen Fächern erfüllt werden, sondern darum, das Lernen an sich zu ermögliche­n. Dazu gehört die bestmöglic­he Fähigkeit, mit Endgeräten, Online-Tools sowie der Selbstorga­nisation von Zeit und Tagesstruk­tur umzugehen. Es geht um Motivation und Unterstütz­ung in der Isolation. Der tatsächlic­he Lernstand eines Schülers ist viel wichtiger als die Beurteilun­g der erbrachten Leistung. Deshalb könnte auf ein Semesterze­ugnis ohne Weiteres verzichtet werden.

Die Krise ist ein Brennglas und weist uns auf notwendige strukturel­le Reformen hin. Insofern hat sie auch etwas Positives.

ist Schulpsych­ologe und Professor an der Pädagogisc­hen Hochschule Steiermark

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Josef Zollnerits­ch spricht sich coronabedi­ngt für einen Verzicht auf die Semesterze­ugnisse aus.

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