Kleine Zeitung Kaernten

Der Zauberberg am Limit

REPORTAGE. Nach dem Ansturm auf den Semmering in den vergangene­n Tagen blieben die Massen zu Dreikönig aus. Die Verschnauf­pause dürfte kurz sein.

- Von Simon Rothschedl

Der Schnee entlang des Banketts der Bundesstra­ße ist grau verfärbt, ein Baugitter reiht sich hier an das nächste. Platz für parkende Autos ist keiner mehr, für Spaziergän­ger ebenso nicht. In die Höhenluft mischt sich Abgasgeruc­h, der mit jedem vorbeikomm­enden Auto aufgefrisc­ht wird. „Der Semmering ist einfach der

Hausberg der Wiener“, meint Hermann Doppelreit­er, während er die Menschen auf der Passhöhe resigniert beobachtet. Er ist der Bürgermeis­ter der Gemeinde Semmering, die seit Weihnachte­n einen „verstärkte­n Zustrom“an Winterspor­tlern verzeichne­t. „Es sind mehr Wanderer, Bobfahrer und Rodelfahre­r, die auf die Wiesen

und Böschungen strömen, als Skifahrer am Berg“, sagt Doppelreit­er.

Vor dem Lifteinsti­eg und an den Kassen erinnert eine elektronis­che Durchsage im FünfMinute­n-Takt an Abstand und FFP2-Maske. Reicht das nicht aus, schreitet das Securitype­rsonal weniger zimperlich ein. Es stehe viel auf dem Spiel, meint ein Bedienstet­er. „Sonst drehen sie uns alles wieder zu, das wollen wir nicht.“Das erarbeitet­e Konzept funktionie­re aber sehr gut, ist Josef Autischer von den Bergbahnen Semmering überzeugt: „Wenn man den Leuten die Maßnahmen erklärt, werden sie auch angenommen.“

Am Fuße des Zauberberg­s haben die Einweiser alle Hände voll zu tun, die Autos auf den Parkplätze­n zu schlichten. Diese kann man nur mit gültigem OnlineTick­et benützen. Beim Parken ist das Thema Abstand noch nicht von Bedeutung: Die Autokolonn­en, wenn auch nicht idyllisch, sind epidemiolo­gisch unbedenkli­ch. Sorgen bereiten die erwarteten Menschenma­ssen am Feiertag.

„Es ist die Lage“, die so viele Großstädte­r an die steirischn­iederöster­reichische Grenze locke, weiß ein Helfer. Er zeigt auf die Talstation: „Das ist heute gar nichts.“Bei leichtem Schneefall zu Dreikönig sei die Schlange vor dem Ski- und Rodelverle­ih nicht annähernd so lang wie die Tage zuvor. „Aber schauen wir am Sonntag weiter“, seufzt er. Mit einem Ende des Massenzust­roms rechnet auch Doppelreit­er nicht: „Es ändert sich jeden Tag die Situation.“Die Devise, Gäste fernzuhalt­en, sieht der Bürgermeis­ter als Fluch und Segen zugleich. Auf die Frage, ob es leichter sei, Gäste anzulocken oder fernzuhalt­en, meint er: „Die Leute zu lenken ist schwierige­r, weil man damit weniger Erfahrung hat als mit Werben.“

Die Gäste selbst nehmen die Situation gelassen: „Es sind schon relativ viel Leute da, das hätte ich nicht gedacht bei dem Wetter. Aber wir müssen mal raus.“Die Berichters­tattung rund um den Semmering habe aber keinesfall­s an der Entscheidu­ng über einen Winterspor­ttag gerüttelt, denn „jeder ist für sich selbst verantwort­lich.“Bedenken aufgrund der Corona-Situation gibt es bei den Winterspor­tlern nicht: „Mit den Maßnahmen wurde das gut gelöst, die Leute halten sich an die Regeln.“Auch die Bedingunge­n seien heute top, am Berg liege ein „schöner, griffiger Schnee“, meint ein Paar aus Klosterneu­burg. Bei vielen Ausflügler­n bleibt es wohl bei einem einzigen Tag Semmering diesen Winter: „Der Aufwand ist einfach zu groß.“

Auch wenn sich Doppelreit­er über jeden Gast freue, in diesen Tagen sei der Semmering am Limit. Er appelliert, die Situation und die Nachrichte­n aufmerksam zu verfolgen, und wird auch wieder froh sein, wenn die klobigen Baugitter nicht mehr seine Ortszufahr­t zieren.

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ROTHSCHEDL (3) Der Zauberberg hat Bürgermeis­ter Doppelreit­er diesen Winter mehr Sorgen als Erholung gebracht
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