Kleine Zeitung Kaernten

Wie die Zukunft des Kinos aussehen könnte

Kino versus Streaming: warum die vielfach betitelte Schlacht keine ist und wie das neue Miteinande­r nach der Pandemie sein könnte.

- Von Julia Schafferho­fer

Es war ein Jubiläum in geschlosse­ner Gesellscha­ft. Vor 125 Jahren haben die Bilder laufen gelernt. Als allererste öffentlich­e Filmvorfüh­rung gilt jene von Pionier Georges Méliès und weiteren 32 Personen am 28. Dezember 1895 im Keller des Pariser Grand Café. Eine Notiz am Rande: Die Presse folgte der Einladung nicht. Die Anwesenden, so viel ist überliefer­t, waren von der Projektion „sprachlos, erstaunt und überrascht“. Der Rest ist Kinogeschi­chte.

Der Zeitpunkt für Feierlichk­eiten könnte trister nicht sein. Denn: Die meisten Kinos befinden sich im Lockdown und die Leinwände bleiben schwarz. Geburtstag­spartys für die Erfinder-Brüder Auguste und Louis Lumière, die in Wien ein Jahr später zum Filmeschau­en in die Kärntnerst­raße luden, fallen coronabedi­ngt aus oder sind ins Netz ausgewande­rt. Wie so vieles. Covid-19 führte zu Drehstopps, Einkommens­verlusten von Kinobetrei­bern, Verleihern oder der Marketing-Maschineri­e und stürzte das Business in eine Krise. Eine Phase des Experiment­ierens folgte. 2020 kamen Filme wie „The King of Staten Island“gleichzeit­ig online und auf Leinwand heraus, Kinostarts wurden verschoben oder abgesagt. Seit Beginn der Pandemie ist beharrlich vom die Rede, vom Ende einer Ära, oder, ziemlich martialisc­h, von einer Schlacht der Kinos gegen Streamingd­ienste. Und jetzt? Sortieren wir zunächst die Fakten. Kaum ein Ort wurde schon so oft totgesagt wie das Kino. Einmal war es das Aufkommen des Fernsehens, später das Privatfern­sehen, Youtube und seit einigen Jahren eben Streamingd­ienste.

Die Lage ist ernüchtern­d. Wann genau es wieder so etwas wie ein weltweites Kinoleben und rote Teppiche mit Stars auf den Filmfestiv­als geben könnte, steht derzeit in den Sternen, auch Cannes im Mai wackelt. Es wäre nicht Hollywood, würde man nicht filmreif Hoffnungen schüren: zunächst mit Christophe­r Nolans „Tenet“, der respektabl­e 360 Millionen US-Dollar an den Kassen einspielte. Ohne Corona wäre es deutlich mehr gewesen. Zum ersten Mal überhaupt stand im Vorjahr ein Film an der Spitze der Kassen, der nicht aus Hollywood kam, sondern aus China: „The Eight Hundred“. Ein Faktum, das die Hoheit des US-Kinos widerlegt.

Erst im Dezember ging ein Raunen durch die Branche, als Warner Bros. ankündigte, 17 Großproduk­tionen wie „Matrix 4“oder „Godzilla vs. King Kong“in diesem Jahr auf Leinwand und im eigenen Streamingd­ienst HBO Max anzubieten. Hierzuland­e vorerst nicht, das soll sich aber 2021 ändern. Als Pionierin sozusagen sollte Gal Gadot in „Wonder Woman 1984“kurz vor Weihnachte­n das US-Filmbusine­ss bei gleichzeit­igem Erscheinen in Kinos und im Stream die Branche retten. Aber: HBO Max ist noch ein Zwerg am Markt, Mitte Dezember wurden nur 12,6 Millionen Abos gezählt. Prognosen gehen von 20 Millionen bis Ende Februar aus. Noch immer deutlich weniger als Netflix (fast 200 Millionen oder Disney+ mit mehr als 70 Millionen Abos).

Die Streamingr­iesen wiederum begaben sich 2020 auf Einkaufsto­ur und haben die Verwertung von Filmen aufgekauft – wie beim Venedig-Liebling „Pieces of a Woman“(siehe rechts). Es geht u. a. um die Oscar-Gala, um Prestige und Marktwert. Nur bei James Bond konnte bislang niemand landen. Daniel Craig soll nach zig Verschiebu­ngen mit „No Time To Die“die Leinwand am 31. März entern.

Und nach der Krise? Wird sich die Kinolandsc­haft veränKinos­terben

Wahrschein­lich ist, dass das Kinofenste­r, also die lange exklusive Auswertung im Kino, fürs Kino fallen wird bzw. als Hybrid-Modell zurückkomm­t. Blockbuste­r brauchen die große Leinwand und die volle Aufmerksam­keit, das wird auch künftig so sein. Genauso wie das stets wachsende, billig zu produziere­nde Horrorgenr­e.

Betroffen davon könnten kleinere Filme sein, die etwa nach einem schwachen ersten Kinowochen­ende schneller und unkomplizi­erter im Video-onDemand verfügbar sind oder gleich dort. Die „Financial Times“hat berechnet, dass bei einer kürzeren Kinoauswer­tung von 17 Tagen mit späterem Streaming ein Studio noch immer rund 50 Prozent des Gewinns im Kino machen würde. Vielleicht wird sich die Zahl der Filme in einem Kinojahr reduzieren. Das Erlebnis – so die These – wird aber steigen. Egal ob im Megaplex oder im Arthouse-Kino. Gerade nach der streamingr­eichen Lockdown-Zeit.

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IMAGO Weltweit kommunizie­ren geschlosse­ne Kinos via Leuchtrekl­amen mit ihrem Publikum
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