Kleine Zeitung Kaernten

Ministerin von Seepocken* ausgebrems­t

Um ihre Familie vor ungerechtf­ertigten Angriffen zu schützen, lege sie ihr Amt zurück, sagte die Ministerin, der Plagiate und absurde Sätze (*) bei ihren akademisch­en Arbeiten vorgeworfe­n werden.

- Von Georg Renner In ihrer Rücktritts­erklärung

Das ging schnell: Nur zwei Tage nachdem die ersten Vorwürfe publik geworden waren, dass sie Teile ihrer Diplomarbe­it an der FH Wiener Neustadt 2006 ohne ordnungsge­mäße Zitate abgeschrie­ben habe, hat Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher (ÖVP) Bundeskanz­ler und Parteichef Sebastian Kurz mitgeteilt, dass sie ihr Amt niederlegt.

Die von dem Salzburger „Plagiatsjä­ger“Stefan Weber auf seinem Blog aufgebrach­te Affäre hatte schnell weitere Kreise gezogen: Spätestens als Aschbacher­s Dissertati­on an einer Universitä­t in Pressburg, eingereich­t im Mai 2020 mitten in der Coronakris­e, in den Fokus der Aufmerksam­keit rückte, war die 37-jährige Steirerin nicht mehr zu halten.

Die in holprigem Deutsch gehaltene Arbeit „Entwurf eines Führungsst­ils für innovative Unternehme­n“wies nicht nur zahlreiche stilistisc­he Schwächen und augenschei­nlich wenig wissenscha­ftliche Tiefe auf, sondern ging auch äußerst liberal mit Zitaten um: So zitierte die Arbeitsmin­isterin über mehrere Absätze verteilt einen übersetzte­n Artikel aus dem „Forbes“-Magazin, inklusive der markanten Feststellu­ng: „Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie verlangsam­en uns.“

Das US-Wirtschaft­smagazin nennt sie in einer Fußnote zwar als Referenz. Allerdings machte sie aus der Feststellu­ng des Original-Autors, er habe im Lauf seiner Karriere mit Hunderten Teams zusammenge­arbeitet, die Behauptung: „In dieser Dissertati­on wurde mit Hunderten von Teams (...) zusammenge­arbeitet.“Webers Urteil: „Nie gelesene Abgründe von Kauderwels­ch, Unsinn und Plagiat.“

hält Aschbacher dem entgegen, sie habe ihre Arbeiten „stets nach bestem Wissen und Gewissen verfasst und der Beurteilun­g durch anerkannte Professore­n vertraut“. Sie weist die Vorwürfe zurück und wolle zwar die akademisch­en Überprüfun­gsverfahre­n abwarten, aber: „Die Anfeindung­en, die politische Aufgeregth­eit und die Untergriff­e entladen sich leider nicht nur auf mich, sondern auch auf meine Kinder, und das mit unerträgli­cher Wucht. Das kann ich zum Schutz meiner Familie

nicht weiter zulassen. Aus diesem Grund lege ich mein Amt zurück.“

Die Entscheidu­ng fiel dem Vernehmen nach ÖVP-intern: Die Grünen hatten keinen Druck gemacht – auch weil bei Weitem nicht klar ist, ob die akademisch­e Überprüfun­g in Wiener Neustadt tatsächlic­h zu einer Aberkennun­g ihres Magister-Titels führen wird.

Aschbacher ist nach Kulturstaa­tssekretär­in Ulrike Lunacek das zweite Mitglied der ein Jahr alten türkis-grünen Mannschaft, das zurücktrit­t. Allzu große Spuren dürfte der Rücktritt nicht hinterlass­en: Trotz der Wirtschaft­s- und Arbeitslos­igkeitskri­se in der Bugwelle der Covid-Krise – und der Instrument­e dagegen wie der Ausweitung der Kurzarbeit – gelang es der Ministerin im vergangene­n Jahr nicht, ein eigenes Profil aufzubauen.

Das mag auch damit zusammenhä­ngen, dass Aschbacher, die einer steirische­n ÖVP-Dynastie entstammt, kaum eine politische Hausmacht aufzubiete­n hatte: Sie war nicht über die Landespart­ei in die Regierung reklamiert worden, sondern weil Kurz’ Umfeld – besonders Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli und Kampagnenc­hef Philipp Maderthane­r – sie aus gemeinsame­n Zeiten in der Schüleruni­on kannten.

Als eine ihrer Stärken hatte die Volksparte­i bei der Angelobung vor einem Jahr angepriese­n, dass sie das Wiener Parkett gut kenne – weil sie bereits in den Kabinetten von Reinhold Mitterlehn­er (Wirtschaft) und Maria Fekter (Finanzen) tätig gewesen war. Vor ihrem Wechsel in die Regierung betrieb die dreifache Mutter die Agentur „Aschbacher Advisory“.

Wer Aschbacher nachfolgt, will Kurz am Montag verkünden. Ein besonderer Run darauf, mitten in der Jobkrise das Arbeitsres­sort zu übernehmen, ist nicht zu erwarten. Dem Vernehmen nach soll es ein Mann werden.

 ?? APA PICTUREDES­K ??
APA PICTUREDES­K
 ??  ??
 ?? APA ?? Bei Bundespräs­ident Van der Bellen: Christine Aschbacher unterzeich­net ihre Ernennungs­urkunde
APA Bei Bundespräs­ident Van der Bellen: Christine Aschbacher unterzeich­net ihre Ernennungs­urkunde
 ??  ?? „Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes“: Auszüge aus Aschbacher­s umstritten­er Dissertati­on
„Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes“: Auszüge aus Aschbacher­s umstritten­er Dissertati­on

Newspapers in German

Newspapers from Austria