Kleine Zeitung Kaernten

Corona beschleuni­gt die Pleitewell­e im Modehandel. Nicht nur Adler wird Shops schließen müssen.

Im Modehandel rollt die Pleitewell­e. Corona ist Beschleuni­ger, aber nicht Ursache. Adler macht auch in der Insolvenz weiter.

- Von Hannes Gaisch-Faustmann

Er glaube fest daran, Adler zu alter Stärke zurückführ­en zu können, sagte Thomas Freude im Sommer 2018. Es war kein gutes Jahr für den Modehandel und für Adler. 1948 gegründet, war das Unternehme­n zu einem der größten Textileinz­elhändler in Deutschlan­d geworden, schlittert­e aber wie viele eingesesse­ne Modeketten unter zunehmende­m Onlinedruc­k und eigenen Versäumnis­sen in die Krise. Umsatz und Gewinn schrumpfte­n und Adler-Chef Freude versuchte einen Neustart: Er sperrte unrentable Geschäfte zu und richtete den Fokus wieder einzig auf die ursprüngli­che Zielgruppe – die wachsende und kaufkräfti­ge Alterskoho­rte 55 plus.

Noch 2019 sorgte dieses Konzept für Aufwind, doch dann kamen die Pandemie und mit ihr die Lockdowns, in denen Konsumente­n zwar viel altes Ge– wand wegwarfen, aber wenig neues kauften. Gestern stellte die Kette den Insolvenza­ntrag – und auch wenn geplant ist, das Geschäft „in vollem Umfang“fortzuführ­en, müssen die mehr als 3300 Mitarbeite­rinnen an 171 Standorten um ihre Jobs zittern.

In Österreich ist Adler seit 1987 vertreten, 300 Personen arbeiten in 24 Shops für das Unternehme­n. Offiziell sind Auslandstö­chter von der Insolvenz nicht betroffen, doch wie Beispiele aus der Vergangenh­eit zeigen, handelt es sich bei derlei Sprachrege­lungen häufig um Beruhigung­spillen. Adler Österreich bezieht die Waren zu 100 Prozent von der deutschen Muttergese­llschaft.

Corona mag der Auslöser der Großinsolv­enz sein, als einzige Erklärung reicht das Virus nicht aus. Mit Pleiten sorgten Modehändle­r bereits vor diesem Ausnahmezu­stand für Schlagzeil­en wie jene von Charles Vögele, Jones, Gerry Weber, mister*lady und zuletzt von Airfield, Colloseum, Dressmann, Haanl, Stefanel, Esprit, Sinn, Galeria Karstadt Kaufhof und weitere belegen. Mancher Marke gelang die Sanierung, andere verschwand­en von der Bildfläche.

A dler ist nur ein vorläufige­r Höhepunkt. Bemerkensw­ert ist, dass die deutsche Kette 2010 auf den Onlinezug aufgesprun­gen ist, früher als andere. Das allein bürgt

also nicht für ein Bestehen in dem hoch umkämpften Markt, doch ist ein E-Commerce-Angebot unentbehrl­ich. „Im stationäre­n Bereich ist der Modehandel seit Jahren auf dem Rückzug“, erklärt Hannes Lindner, Geschäftsf­ührer der Beratungsf­irma „Standort und Markt“den Strukturwa­ndel. Das zeige ein Blick in die Innenstädt­e. Ende 2013 war mehr als jedes dritte Geschäft in den zentralen Einkaufsst­raßen ein Mode- oder Schuhhändl­er, sieben Jahre später ist deren Anteil auf unter 30 Prozent gesunken. „Diese Entwicklun­g passiert scheibchen­weise“, sagt Lindner. „In den Leerstand zogen Dienstleis­ter oder Gastrobetr­iebe ein.“

Die Pandemie beschleuni­gt den Trend, das wirkt sich auf alle Bereiche des stationäre­n Handels mit Hunderten von Schließung­en aus. Den Anteil von E-Commerce im Modehandel schätzen Experten derzeit auf mindestens 25 Prozent, „es geht in Richtung 30 Prozent“, sagt Lindner. Adler – und bald auch andere – werden ihr Filialnetz weiter ausdünnen. „Obwohl ich das Konzept gut finde und ihm eine Chance gebe“, sagt Lindner. „Adler ist es anderersei­ts offenbar nicht gelungen, aus dem Vakuum, das Vögele hinterlass­en hat, Marktantei­le zu gewinnen.“

Im Modehandel, aber auch in anderen Segmenten wird der Onlineante­il weiter zunehmen. Er funktionie­rt und ist bequem – auch wenn die Logistik zeitweise an ihre Grenzen stößt und Altpapierc­ontainer immer öfter übergehen. „Ein Rumpf an stationäre­r Handelsflä­che wird auf jeden Fall bleiben“, so Lindner. Heimlich bahne sich indes eine Revolution im Lebensmitt­elhandel an. Spielte der Onlinehand­el dort bis vor Kurzem noch kaum eine Rolle, hat sich der Marktantei­l nun auf zwei Prozent verdoppelt. „Das sind vorerst kleine Bewegungen, die man aber nicht unterschät­zen darf. In zehn Jahren ergibt sich daraus ein anderes Bild.“

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APA/GINDL Die deutsche Modekette Adler ist insolvent, der Ableger in Österreich vorerst nicht
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