Kleine Zeitung Kaernten

„Das geht weit über die Medizin hinaus“

- Rudolf Likar Rudolf Likar kritisiert, warum wir Schutzmaßn­ahmen bei der Pandemie hochfahren – aber nicht bei der Suizidbeih­ilfe. Aufräumarb­eiten

Die Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofes, dass das Verbot der Suizidbeih­ilfe verfassung­swidrig sei, offenbart die Desorienti­erung unserer Gesellscha­ft, gerade in Zeiten einer Corona-Pandemie.

In der Pandemie wird zum Schutz des Lebens das Recht auf Leben in vielen Bereichen zugunsten der Pandemie untergeord­net, man spricht dabei vom Schutz vulnerable­r Gruppen.

Aus medizinisc­her Sicht erwarte ich mir vom Staat, dass er bei der Suizidbeih­ilfe das Schutzkors­ett genauso eng schließt wie in der Pandemie und dass die Menschen, die eventuell unter Druck geraten könnten, weil sie vulnerabel sind, nicht erklären müssen, warum sie noch leben, warum sie nicht „ihr Leben in Würde beenden“.

Es gehören auch diese vulnerable­n Gruppen geschützt. Viele Fragen sind ja noch gar nicht beantworte­t: Ab wann hat der Mensch ein Anrecht auf Suizidbeih­ilfe? Wer definiert menschenwü­rdiges Sterben? Warum wurde

Sterben zur medizinisc­hen Diagnose gemacht? Genauso wie es eine Offenlegun­g der Coronatote­n gibt, erwarte ich mir eine öffentlich­e Statistik darüber, wie viele Menschen durch Suizidbeih­ilfe sterben.

Menschen können auch in Ruhe einschlafe­n, wenn sie das Alter erreicht haben. Warum sollte menschenwü­rdiges Sterben nur durch die Hand eines Menschen und nicht an der Hand eines Menschen, wie schon Kardinal König sagte, möglich sein? Wir sollten in der Medizin alles tun und die Hand ausstrecke­n, um den Menschen aufzufange­n im Netz der Wärme und Geborgenhe­it, statt eine todbringen­de Spritze als Suizidbeih­ilfe zu verabreich­en, die menschlich­e Kälte verursacht.

„Genauso, wie es

eine Offenlegun­g

der Coronatote­n

gibt, erwarte ich

eine Statistik

darüber, wie viele

durch Suizidbeih­ilfe sterben.“

Wir schützen die Gesellscha­ft vor einem biologisch­en Virus. Wir sollen die Gesellscha­ft genauso vor dem geistigen Virus des assistiert­en Suizids schützen. Das geht weit über die Medizin hinaus, weit über das biologisch­e Leiden, inkludiert das psychosozi­ale, spirituell­e und existenzie­lle Leiden. Stärkung der Solidaritä­t, Stärkung der Wärme der menschlich­en Gesellscha­ft könnte eine Antwort darauf sein.

ist Mediziner und Präsident der österreich­ischen Palliativg­esellschaf­t

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