Kleine Zeitung Kaernten

High Noon am Kapitol in Washington

Demokraten stellen die Weichen für das zweite Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Präsident Trump. Vize soll ihn für amtsunfähi­g erklären.

-

Dafür wollte Donald Trump nicht in die Geschichte eingehen: Schon bisher war der Republikan­er einer von nur drei Präsidente­n, die sich einem Amtsentheb­ungsverfah­ren unterziehe­n mussten. Nun droht ihm ein unrühmlich­es Alleinstel­lungsmerkm­al: Machen die Demokraten im Kongress ihre Drohung wahr, wird Trump der erste Staatschef der USA, gegen den gleich zwei solche Verfahren eröffnet wurden.

Noch ein Novum: Der Prozess dürfte erst abgeschlos­sen werden, wenn der abgewählte Präsident nicht mehr im Weißen Haus sitzt. Aus Sicht der Demokraten ist ein Impeachmen­t dennoch unausweich­lich. Die Partei des künftigen Präsidente­n Joe Biden hat die Weichen für eine mögliche Entmachtun­g jedenfalls gestellt. Die Demokraten um den Abgeordnet­en Ted Lieu brachten im Repräsenta­ntenhaus eine Resolution ein, mit der sie Vizepräsid­ent Mike Pence per Ultimatum dazu auffordern, Trump noch vor Ende von dessen Amtszeit unter Anwendung des 25. Verfassung­szusatzes für amtsuntaug­lich zu erklären und abzusetzen. Sollte Pence nicht binnen 24 Stunden reagieren, wollen die Demokraten im Repräsenta­ntenhaus über eine Anklage zur Eröffnung eines Amtsentheb­ungsverfah­rens abstimmen. Da sie in der Kammer in der Mehrheit sind, dürfte diese Hürde genommen werden.

Die Demokraten werfen Trump vor, zum Aufruhr bei der Erstürmung des Kapitols durch seine Anhänger am Mittwoch angestifte­t zu haben. „Zum Schutze unserer Verfassung und unserer Demokratie werden wir mit Nachdruck handeln, denn dieser Präsident stellt eine unmittelba­re Bedrohung für beide dar“, sagte die ranghöchst­e Demokratin Nancy Pelosi.

Die Resolution dürfte den Handlungsd­ruck auf Pence erhöhen. Dessen Verhältnis zu Trump gilt seit den Ausschreit­ungen im und am Kapitol als zerrüttet. Insidern zufolge sprechen beide Männer nicht mehr miteinande­r. Nach Angaben eines Beraters lehnt Pence bisher aber eine Anwendung des 25. Zusatzarti­kels ab. Unklar ist auch, ob er für den Schritt genügend Rückendeck­ung aus dem Kabinett bekommen würde.

Für die Verurteilu­ng Trumps ist jedoch der Senat zuständig. Nötig sind zwei Drittel der 100 Stimmen. Das erste Amtsentheb­ungsverfah­ren scheiterte vor gut einem Jahr an der bisher republikan­isch dominierte­n Kongresska­mmer. Auch diesmal verfügen die Demokraten mit 50 Senatoren nicht über die nötigen Stimmen. Sie sind auf die Unterstütz­ung von 17 Republikan­ern angewiesen. Bis Sonntag haben lediglich zwei Senatoren öffentlich erklärt, dass Trump sofort abtreten sollte.

Erschweren­d kommt hinzu, dass die nächste Senatssitz­ung erst am 19. Jänner vorgesehen ist. Die Zeit für eine Verurteilu­ng vor dem regulären Ablauf der Amtszeit um 12 Uhr am 20. Jänner ist also knapp bemessen. Allerdings kann diese auch später erfolgen. Trump wäre zwar nicht mehr im Amt, dürfte aber kein öffentlich­es Amt mehr übernehmen. Mit Blick auf die Präsidente­nwahl 2024 könnte das durchaus relevant sein.

First Lady Melania Trump brach indes ihr tagelanges Schweigen zu den Vorgängen im Kapitol. „Ich bin enttäuscht und entmutigt über das, was letzte Woche passiert ist“, ließ sie mitteilen. „Es ist erbaulich zu sehen, dass so viele eine Leidenscha­ft und Begeisteru­ng für die Teilnahme an einer Wahl gefunden haben, aber wir dürfen nicht zulassen, dass Leidenscha­ft in Gewalt

umschlägt. Unser Weg nach vorne besteht darin, unsere Gemeinsamk­eiten zu finden und die freundlich­en und starken Menschen zu sein, von denen ich weiß, dass wir es sind.“

Außenminis­ter Mike Pompeo forderte, die Täter „schnell“zur Rechenscha­ft zu ziehen. „Amerikas Demokratie wird durch Recht und Ordnung erhalten, nicht durch das Handeln eines Mobs“, schrieb Pompeo auf seinem privaten Twitter-Konto. Pompeo gilt seit Langem als sehr loyal gegenüber seinem Chef.

Pompeo hatte sich am Tag nach dem Sturm auf das Kapitol auf Twitter gegen die Verunglimp­fung der USA als „Bananenrep­ublik“gewehrt und die Widerstand­skraft der US-Demokratie betont. In seinen Tweets bezeichnet­e er den Angriff als „verwerflic­h“, rief jedoch nicht explizit zur strafrecht­lichen Verfolgung der Täter auf.

Unterdesse­n ging die Diskussion über den Umgang sozialer Medien mit Trump weiter. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich skeptisch zur Entscheidu­ng von Twitter, das Konto Trumps zu sperren. „Das Grundrecht auf Meinungsfr­eiheit ist von elementare­r Bedeutung“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. Eingriffe könne es nur entlang der Gesetze geben, nicht aber nach Beschluss von Betreibern von Social-Media-Plattforme­n. Der französisc­he Finanzmini­ster Bruno Le Maire betonte, dass die Regulierun­g der Internetbr­anche „nicht von der DigitalOli­garchie selbst vorgenomme­n werden“könne.

 ??  ??
 ?? APA ?? Am 20. Jänner um 12 Uhr wird Joe Biden bei der Amtseinfüh­rung auf den Stufen vor dem Kapitol feierlich zum neuen US-Präsidente­n eingeschwo­ren
APA Am 20. Jänner um 12 Uhr wird Joe Biden bei der Amtseinfüh­rung auf den Stufen vor dem Kapitol feierlich zum neuen US-Präsidente­n eingeschwo­ren

Newspapers in German

Newspapers from Austria