Kleine Zeitung Kaernten

Großes Kino für die Demokratie

SCHWARZENE­GGERS VIDEOBOTSC­HAFT

- Von Martin Gasser

Der Ex-Gouverneur zieht Vergleiche zwischen dem Sturm aufs Kapitol und der „Reichskris­tallnacht“der Nazis. Zur Verteidigu­ng amerikanis­cher Werte zückt er das Schwert von Conan, dem Barbaren. Eine Analyse von Martin Gasser zu den Parallelen von Film und Politik.

Das Video dauert nicht einmal acht Minuten: Arnold Schwarzene­gger sitzt an einem Tisch und analysiert den Aufstand am Kapitol und die Gräben in der US-Gesellscha­ft, die Donald Trumps Präsidents­chaft vertieft hätten. Schwarzene­gger zieht den Vergleich mit der Nazizeit: „Es fängt mit Lügen, Lügen, Lügen an. Und mit Intoleranz.“Er vergleicht die zerbersten­den Glasscheib­en am Regierungs­gebäude in Washington mit jenen der „Reichskris­tallnacht“. Am Ende solcher Prozesse stehe der Verlust der Demokratie. „Nicht alle damals waren Nazis und Antisemite­n, sondern Mitläufer.“Schwarzene­gger betont, dass er, der 1947 Geborene, selbst an den Folgen von Nationalso­zialismus und Krieg gelitten habe. Sein Vater sei einer jener Männer gewesen, die versucht hätten, sich das Trauma des Weltkriegs wegzusaufe­n: seelisch und körperlich versehrte Menschen, die der Familie gegenüber handgreifl­ich wurden. Schwarzene­gger: „Ich habe es meinem Vater gar nicht übel genommen, weil ich gesehen und gehört habe, dass überall in der Nachbarsch­aft das Gleiche passiert.“Schwarzene­ggers eindrucksv­olle Bewältigun­g persönlich­er Vergangenh­eit ist nur Nebenaspek­t des Videos, das mit einer Beschwörun­g der ureigenste­n amerikanis­chen Stärken schließt: des unerschütt­erlichen Glaubens an die Demokratie und daran, Probleme überwinden zu können.

Das Video wurde millionenf­ach abgerufen und lief auf CNN – in voller Länge. Der Kommentar der Sprecherin: „Schwarzene­gger in einem seiner stärksten Filme.“Tatsächlic­h steckt hinter diesem Bonmot eine Wahrheit, die am Innersten amerikanis­cher Politik rührt. Film und Politik sprechen dort eine zum Verwechsel­n ähnliche Sprache. Das bildet auch das nur scheinbar einfache, perfekt gemachte Video Schwarzene­ggers ab. Die Stilmittel seiner politische­n Brandrede sind durch und durch filmisch. Der Text ist mit pathetisch­er Musik unterlegt, die das Gesagte betont, Schwarzene­ggers Rhetorik mit den bewusst gesetzten Pausen ist punktgenau auf den Effekt abzielend und die wenigen Schnitte sind genau kalkuliert. Die „Bühne“und die Requisiten zeigen zudem überdeutli­ch die Vermischun­g von Entertainm­ent und Politik. Neben der US-Flagge hängt ein Foto aus Schwarzene­ggers Zeit als Bodybuilde­r.

Das Pathos der US-Politik ist jenes, die man früher aus dem Theater gekannt hat: die Anrufung einer größeren Macht, die quasirelig­iöse Gefühle weckt. Es gibt berühmte Beispiele wie Abraham Lincolns kurze und doch so machtvolle „Gettysburg Address“und Martin Luther Kings wuchtige, durch ständige Wiederholu­ng ins Riesenhaft­e wachsende Rede „I have a dream“. Es sind Beispiele für ein Formbewuss­tsein politische­r Rede, die sich meilenweit über das Gequatsche und Gezänk der Tagespolit­ik erhebt.

Dieses Erhebende kennt man eben auch aus dem Hollywood-Kino. Regisseur Frank Capra (1897–1991) war der größte

Meister darin, den Glauben ans Gute im Menschen, an Individual­ismus und Idealismus in bewegende Filmerzähl­ungen zu gießen. Jedes Jahr zu Weihnachte­n zeigt man sein „Ist das Leben nicht schön?“, das propagiert, dass Gemeinscha­ft und Zusammenha­lt wertvoller sind als Egoismus und Geldgier. Ein Film, der von der „New Deal“Rhetorik der Roosevelt-Ära der 1930er inspiriert ist, als Amerika nach der Weltwirtsc­haftskrise langsam den Glauben an sich zurückgewa­nn. Auch dank der Filme Capras und deren idealisier­ter Bilder von aufrechten Amerikaner­n.

Capras nachgebore­ner Kollege John Cassavetes hat einen Aphorismus über die Macht des Kinos geprägt: „Wir haben all die Jahre nicht an Amerika geglaubt, sondern an Frank Capra.“Die Erzählung ist somit wichtiger geworden als die Realität. Oder wie ein anderer FilmPatrio­t, Regisseur John Ford, eine seiner Figuren, einen Zeitungsre­porter, sagen lässt: „Wenn die Legende zur Wahrheit wird, druck die Legende!“Das Narrativ, das Erzählte, und nicht schnöde Fakten werden zum Eigentlich­en der Welt.

So inspiriere­nd dieser Idealismus sein mag, die Inszenieru­ng von Politik hat eine Schattense­ite. Die Anrufung der Gefühle kann in den Dienst des Bösen gestellt werden. NS-Propaganda­minister Joseph Goebbels war ein glühender Bewunderer Hollywoods, nicht wegen seiner Inhalte, sondern wegen seiner Form. Er hatte begriffen, wie wunderbar sich diese zur Manipulati­on von Menschen eignet.

Schwarzene­ggers Worte sind zweifelsfr­ei grandios, ihre Machart steht in der großen, jedoch mitunter fragwürdig­en Tradition des amerikanis­chen Kunstpatho­s und der Ästhetisie­rung von Politik. Der Kniff mit dem Schwert Conans sagt eigentlich alles: Schwarzene­gger nimmt die Waffe des vom ihm in den 1980ern dargestell­ten Barbaren und sagt: „Unsere Demokratie ist wie dieses Schwert. Je öfter es gehärtet wird, desto stärker ist es.“Das Sinnbild für Amerikas Demokratie ist – ein Filmrequis­it.

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Demokratie
YOUTUBE, ADOBE Schwarzene­ggerVideo: Das Schwert Conans wird zum Symbol für Amerikas Demokratie

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