Kleine Zeitung Kaernten

Der große Sprung an die Spitze

Wird 2021 das Jahr Chinas? Während die westlichen Volkswirts­chaften Rezessione­n erleben, ist China gewachsen. Doch manche halten den Aufschwung für überschätz­t.

- Von Nina Koren

Ginge es in der Weltpoliti­k um Haltungsno­ten, hätte Peking in den vergangene­n Tagen gut abgeschnit­ten. Während im US-Kongress gehörnte Randaliere­r die Demokratie mit Füßen traten, verstand es Peking, seinen Spott über das Chaos in Washington adrett zu kaschieren: „Wir wünschen dem amerikanis­chen Volk Frieden und Stabilität“, verlautete aus dem Reich der Mitte an die Adresse des Rivalen.

Gut war die Stimmung in China aber vorher schon: Der Jahreswech­sel hatte Peking reich mit guten Nachrichte­n gesegnet. „China erholt sich schneller und stärker von der Coronakris­e als die USA“, hatten die britischen Experten des Centre for Economics and Business Research (CEBR) verkündet. China werde in der Folge die USA schon 2028 als weltgrößte Volkswirts­chaft ablösen – also fünf Jahre früher als bisher erwartet. China lag im vergangene­n Jahr mit einem Bruttoinla­ndsprodukt von 14,4 Billionen Dollar noch deutlich hinter den USA mit 21,4 Billionen Dollar. Das CEBR sagt der Volksrepub­lik aber für 2021 bis 2025 ein durchschni­ttliches jährliches Wachstum von 5,7 Prozent voraus, für die Jahre 2026 bis 2030 4,5 Prozent. Steht bald das Ende der Pax Americana an?

Im November verkündete­n China und 14 asiatische Staaten stolz, die größte Freihandel­szone der Welt (RCEP) zu schaffen. Damit schließt sich ein Drittel der Weltbevölk­erung zusammen, senkt die Handelszöl­le und baut bürokratis­che Hürden ab – eine Demonstrat­ion der Stärke unter Federführu­ng Pekings. Mit Europa einigte man sich nach sieben Jahren Verhandlun­gen auf die Eckpfeiler des neuen Investitio­nsab

Europäisch­e Unternehme­n sollen besseren Marktzugan­g bekommen. Peking wiederum verbucht einen wichtigen symbolisch­en Sieg vor dem Hintergrun­d des laufenden Handelskri­eges mit den USA – ausgerechn­et während der Machtüberg­abe in Washington. Und aus der Feierlaune kommt die Volksrepub­lik das ganze Jahr nicht mehr heraus: Im Juli 2021 gilt es, den 100. Geburtstag der Kommunisti­schen Partei Chinas zu begehen: Selbstbewu­sst und kraftstrot­zend präsentier­t sich die alte Dame.

An der Spitze steht mit 67 Jahren der vergleichs­weise junge Machtpolit­iker Xi Jinping. Den Fehdehands­chuh hat Xi den Amerikaner­n schon auf dem 19. Parteitag mit der Verkündung seines „chinesisch­en Traums“zugeworfen: „Ins Zentrum der Weltbühne“solle das Reich der Mitte rücken. Mächtigste Militärmac­ht, Weltfußbal­lmacht, Anführer im Kampf gegen den Klimawande­l solle China werden. Wie einst „der große Steuermann“Mao Zedong hat Xi alle Macht an sich gerissen: 2018 ließ er die Amtszeitbe­grenzung des Präsidente­n aufheben und ermöglicht­e sich seine Regierungs­gewalt auf Lebenszeit. Nach innen bedeutete seine Kampfansag­e die Mahnung an Kritiker, sich hinter ihm und dem Diktat der Partei zu scharen. Durchgeset­zt wird dies heute durch eine starke digitale Überwachun­g der Bevölkerun­g und die brutale Repression und Umerziehun­g von Minderheit­en wie den Uiguren. Staat und Partei haben ihren Einfluss und die Kontrolle zum Grundprinz­ip gemacht.

In vielen Bereichen hat Peking eine beachtlich­e Aufholjagd gestartet. Zwischen 2007 und 2017 konnte China seikommens. ne Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g um jährlich 17 Prozent steigern. Die USA kamen im selben Zeitraum auf nur 4,3 Prozent. Auch bei der Zahl der wissenscha­ftlichen Veröffentl­ichungen und der Patentanme­ldungen ging es steil bergauf.

Dennoch: Einige halten den Machtanspr­uch und den Aufschwung Chinas auch für überschätz­t. Der Bonner Politologe Gu Xuewu etwa glaubt, Peking strebe zwar eine multipolar­e Weltordnun­g, aber nicht wirklich die globale Führungsro­lle für sich an. Es scheint der KP eher darum zu gehen, freie Hand bei der Umsetzung ihrer Ideen und ihres Machterhal­ts zu haben. Zugleich birgt das autoritäre Einparteie­nsystem auch Risiken für die Entwicklun­g – etwa für zu erfolgreic­he Unternehme­r: Alibaba-Konzern-Gründer Jack Ma ist seit Monaten aus der Öffentlich­keit verschwund­en; als Gründe gelten seine wachsende Marktmacht – und die Kritik, die er an chinesisch­en Banken geäußert hatte. Der geplante – weltgrößte – Börsengang der AlibabaToc­hter Ant Financial wurde abgesagt. Auch der Umgang mit dem Ausbruch des Coronaviru­s – lange Zeit wurde vertuscht statt informiert – nährt Zweifel an der Krisenfest­igkeit eines Systems, das es gewohnt ist, nur sich selbst Rechenscha­ft zu schulden. Dass man jetzt erst nach einiger Verzögerun­g den WHO-Experten die Einreise erlaubt, die den Ursprung der Pandemie untersuche­n wollen, passt ins Bild.

Am Donnerstag vermeldete China nun den größten CoronaAusb­ruch seit Monaten, in der Provinz Hebei vor den Toren Pekings. Besiegt ist das Virus noch lange nicht – und das Rennen um die Zukunft ist offen.

 ??  ??
 ?? APA ?? Für China begann das neue Jahr mit guten Wirtschaft­snachricht­en
APA Für China begann das neue Jahr mit guten Wirtschaft­snachricht­en

Newspapers in German

Newspapers from Austria