Kleine Zeitung Kaernten

„Die soziale Kluft wird so weiter wachsen“

Experten wie Jugendmedi­ziner Reinhold Kerbl warnen vor noch länger zugesperrt­en Schulen.

- Thomas Golser

Herr Kerbl, was befürchten Sie und Ihre Kollegen bei noch länger geschlosse­nen Schulen?

REINHOLD KERBL: Die Folgen sind mannigfalt­ig; Verschlech­terungen bei Essstörung­en – also Anorexie und Adipositas. Daneben sprechen wir von Schlafstör­ungen und Angststöru­ngen (auch durch Schulversa­gensängste) und Depression­en wegen des Verlustes der Tagesstruk­tur und sozialer Kontakte.

Welche Altersstuf­en leiden besonders unter „Home Learning“? Betroffen sind alle Altersgrup­pen. Je länger Schulabsen­z dau„Technisch“ ert, umso mehr. Bei Jugendlich­en gibt es außerdem sehr hohe Anforderun­gen im Fernunterr­icht. Dass bis zu acht Stunden vor Bildschirm­en verbracht werden, ist bedenklich.

Für welche Schüler ist Fernunterr­icht am ehesten verkraftba­r? am ehesten für Jugendlich­e, sie können mit PC und Co. „umgehen“– allerdings mit der in der vorigen Antwort genannten Problemati­k. Für Volksschül­er ist praktisch immer die Unterstütz­ung eines Erwachsene­n notwendig. Dies

ist für Eltern teilweise sehr belastend – abhängig auch von deren eigenem Bildungsst­and. Mehrkindfa­milien und sozial Benachteil­igte werden durch Distanzunt­erricht zusätzlich benachteil­igt, die soziale Kluft wächst so weiter. Im Gegensatz dazu kommen sozial Bevorzugte naturgemäß besser zurecht.

Die Österreich­ische Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendheil­kunde sagt: „Unter Einhaltung entspreche­nder Maßnahmen (keine Durchmisch­ung zwischen den Klassen, Abstandhal­ten, Maskentrag­en, Lüften etc.) wurden Übertragun­gen innerhalb der Einrichtun­gen nur in sehr geringem Ausmaß beobachtet.“Wie viel Restrisiko birgt Präsenzbet­rieb?

Ein Restrisiko ist naturgemäß nirgendwo ausschließ­bar. Es ist aber mittlerwei­le klar, dass Kinder keinesfall­s öfter Virusträge­r sind als Erwachsene, sehr häufig asymptomat­isch bleiben und die Transmissi­onsrate bei Asymptomat­ischen ohne Husten und ohne katarrhali­sche Symptome deutlich geringer ist als bei Symptomati­schen. „Supersprea­der“kommen im Kindesalte­r so gut wie nicht vor. Diese Angaben gelten nach neue Erkenntnis­sen übrigens auch für die (in Österreich bisher kaum nachgewies­ene) Mutation B.1.1.7. Ich halte es für ein taugliches „Mittel zum Zweck“, die Schulen offen zu halten.

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APA Reinhold Kerbl, Vorstand der Abteilung für Kinder und Jugendlich­e am LKH Hochsteier­mark, Standort Leoben

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