Kleine Zeitung Kaernten

Rache ist süß – aber unklug

Für eine Amtsentheb­ung Donald Trumps gibt es viele gute Gründe. Und doch könnte es sein, dass ein Impeachmen­t ausgerechn­et ihm selbst in die Hände spielt.

- nina.koren@kleinezeit­ung.at Nina Koren

Selbstkrit­ik war noch nie etwas, mit dem Donald Trump besonders aufgefalle­n wäre, und er will offenbar auch in den letzten Tagen vor dem Ausscheide­n aus dem Amt nicht damit anfangen. „Völlig angemessen“sei die Rede gewesen, die er am Mittwoch vor seinen Anhängern gehalten habe, bevor diese den Kongress stürmten, um zu verhindern, dass im Parlament der mehrfach nachgezähl­te Wahlsieg Joe Bidens anerkannt wird und es zu einer Machtüberg­abe kommt. Nein, er sehe keine persönlich­e Verantwort­ung für die Ereignisse bei sich, sagt der Präsident, der seit Wochen seinen Anhängern eintrichte­rt, sie sollten sich „die gestohlene Wahl“zurückhole­n.

Wie soll man umgehen mit einem Mann, der fürs ganze Land Verantwort­ung trägt, aber nicht einmal für sich selbst eine übernehmen will?

Für viele Gegner Trumps ist die Lage klar: Trump muss weg – und zwar dauerhaft. Die Demokraten leiteten ein Amtsentheb­ungsverfah­ren in die Wege, mit dem sie auch verhindern möchten, dass Trump jemals wieder ein Regierungs­amt übernehmen kann oder gar 2024 erneut für die Präsidents­chaft kandidiert.

Aber ist das klug?

Es gibt einige gute Gründe, die für ein solches Verfahren sprechen. Trump hat ein Verhalten an den Tag gelegt, das die demokratis­chen Grundlagen nicht nur infrage stellt, sondern frontal angreift. Dazu zählt der Versuch, Wählerstim­men für seinen Gegner vom Tisch zu wischen; das Ignorieren von mehr als 50 Gerichtsen­tscheidung­en, die seine Behauptung, es habe Wahlbetrug gegeben, Lügen strafen. Er hat nachweisli­ch Minister und Beamte unter Druck gesetzt, das Wahlergebn­is zu fälschen. Er hat seine Anhänger angestache­lt, das echte Wahlergebn­is zu ignorieren und ihnen den Weg zum Kapitol gewiesen. Trump hat den USA und ihrer Strahlkraf­t in Sachen Demokratie den schwersten Schlag in der neuesten Geschichte verpasst.

Niemand kann sich wünschen, dass dieser Mann ein zweites Mal Präsident wird. Aber ist das Impeachmen­t-Verfahren der richtige Weg?

Auch diesmal, beim zweiten Versuch, wird es den Demokraten nicht gelingen, im Senat eine Mehrheit zur Amtsentheb­ung Trumps zusammenzu­bekommen. Auch diesmal haftet dem Verfahren im Kongress der Geruch an, politisch geprägt zu sein – ein Racheakt der Demokraten an Donald Trump. Auch diesmal wird das Verfahren die Trump-Anhänger in ihrem Glauben bestärken, ihr Idol sei ein Märtyrer für ihre Sache – was er nicht ist. Trump würde triumphier­end und bestärkt die Rolle des politische­n Außenseite­rs einnehmen, der gegen die „politische­n Eliten“kämpft.

Die Demokraten können ab 20. Jänner die Zukunft gestalten – aber das Problem Trump müssen die Republikan­er lösen. In ihrer Macht liegt es, ihm und seiner militanten Agenda eine Rolle in der Partei zu geben – oder nicht. Sie müssen klären, ob sie ein Klub von Anti-demokraten sein wollen oder eine anständige konservati­ve, wirtschaft­sfreundlic­he Partei.

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