Kleine Zeitung Kaernten

ZiB-Moderator Tarek Leitner über den Sprachwand­el.

Eine kleine Pause sorgt für Diskussion­en: ZiB-Moderator Tarek Leitner im Gespräch über das Binnen-I, Sprachwand­el und eine neue Sachlichke­it.

- Von Ute Baumhackl und Daniel Hadler

Herr Leitner, es fällt auf, dass Sie als Moderator der „Zeit im Bild“seit einiger Zeit bewusst das Binnen-I hörbar machen, wenn sowohl Männer als auch Frauen gemeint sind – etwa mit einer Pause im Wort „Österreich­erInnen“. Welche Publikumsr­eaktionen gibt es darauf?

TAREK LEITNER: Ich habe sie nicht gezählt, es sind sehr, sehr viele gewesen. Aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass bei all diesen Zuschrifte­n eine größere Sachlichke­it herrscht, als das bisher der Fall war.

Wir diskutiere­n seit knapp 40 Jahren über einen geschlecht­ergerechte­n Sprachgebr­auch. Können Sie sich die anhaltende Emotionali­tät der Debatte erklären?

Es ist ja nicht das einzige Thema, über das so emotional diskutiert wird. Es gibt auch sehr emotionale Reaktionen auf Coronastat­istiken. Es überrascht mich manchmal, mit welchen Argumenten und auch Emotionen da reagiert wird. In dem Fall kommt noch etwas dazu, nämlich dass viele Menschen zwar vordergrün­dig sagen, „mir ist es wurscht, wie es ausgesproc­hen wird, mir geht es doch nur um den Inhalt“. Da kann ich dann nur sagen: Jo, dann wäre es ja eh kein Problem.

War Ihnen vorab klar, dass der Gebrauch des Stimmritze­n-Verschluss­lauts vor dem Binnen-I emotionali­sieren wird?

Eigentlich bin ich mit der Intention hineingega­ngen, dass es das Gegenteil wird. Nicht: keine Diskussion, sondern: keine so große Emotionali­tät. Ich glaube, das ist auch gelungen. Wie eingangs gesagt, hatte ich den Eindruck, dass die Emotionen, die mich direkt erreichen, sachlich sind und es manchmal nicht schlecht ist, wenn man das, was man tut, ein bisschen ausführlic­her erklärt. Insofern freut es

mich, wenn es ein kleines Stück zu einer Versachlic­hung beigetrage­n hat, obwohl wir, wie Sie sagen, nicht erst seit vier Tagen, sondern seit vier Jahrzehnte­n über dieses Thema reden.

Haben Sie bewusst in Kauf genommen, dass manche Zuschauer heftig reagieren könnten?

Ich kann jetzt natürlich nicht sagen, wie repräsenta­tiv die jetzt so sachlichen Reaktionen in der großen ZuseherInn­enschaft sind. Aber natürlich ist es immer so: Wenn man ein Argument ins Treffen führt, dann kann ich gut damit umgehen, dass es Menschen gibt, die eine andere Sicht auf die Dinge haben. Ich lasse mich auch überrasche­n, in welche Richtung die Diskussion in den nächsten Jahren geht. Und so lange wird es wohl noch brauchen, bis die Weichen gestellt werden bei der Entscheidu­ng, wie wir das biologisch­e Geschlecht auch in die Grammatik hereinnehm­en. Die Entscheidu­ng, ob wir es machen, ist – glaube ich – gefallen. Das Wie ist ein Prozess, der noch einige Zeit dauert und ich werde auch mit anderen Entscheidu­ngen leben, wenn sich das in der Gesellscha­ft mehrheitli­ch durchsetzt. Die Sprache entsteht beim Sprechen.

Die Frage stellt sich auch, weil es natürlich ein politische­r Akt ist, das Binnen-I in der größten und wichtigste­n Informatio­nssendung hörbar zu machen?

Letztlich kann jede Ausdrucksf­orm, jede Begrifflic­hkeit als politisch bezeichnet werden, weil man immer darauf aufpassen muss, ob man bei Formulieru­ngen Wordings und Framings übernimmt, die eine Gruppe, eine Lobbygrupp­e, eine politische Partei, die Regierung vorgibt. Oder ob man ein anderes Wording übernimmt. Wir versuchen bei all diesen Begrifflic­hkeiten die neutralste Form zu finden – aber auch die sagt natürlich etwas über den Sprecher aus.

Das Thema der gendergere­chten Sprache taucht aktuell noch an anderer Stelle auf: Der OnlineDude­n verzichtet neuerdings auf das generische Maskulinum, wo die männliche Form die weibliche „mitmeint“. Das Lexikon führt nun

zum Beispiel nicht nur den „Bäcker“, sondern auch die „Bäckerin“als eigenständ­igen Eintrag. Ein Vorgehen, das Sie begrüßen?

Ich bin der Meinung, es ist ja schon vorbei mit dem generische­n Maskulinum. Diese Debatte haben wir schon geführt. Damit will ich gar nicht noch einmal beginnen. Das generische Maskulinum ist grammatika­lisch bis heute richtig, die Gesellscha­ft hat aber trotzdem die Übereinkun­ft getroffen, dass das nicht mehr geht. Auf diese formalisti­sche Argumentat­ion können wir uns also nicht zurückzieh­en – und darauf hat der Duden nur reagiert. Die DudenRedak­tion ist ein nicht unwesentli­cher Player, der einer Sache Ausdruck verliehen hat, die ohnedies schon so ist.

Wenn wird das richtig verstanden haben, war die Pause vor dem Binnen-I ein Alleingang von Ihnen. Wie wird denn Ihr Vorstoß im ORF betrachtet?

Ich glaube, das ist ja auch das Schöne, dass den Menschen nicht eine breite Front einer neuen Ausdrucksw­eise gegenübers­teht. Bei uns im Haus gibt es keine verpflicht­enden Regeln, die jeder auf Punkt und Beistrich und in jedem Fall einhalten muss. Die Vielfältig­keit des Sprechens stellt sich bei uns ähnlich dar, wie es in der gesamten Gesellscha­ft ist. Und ein Teil davon bin ich – und ich versuche jetzt, diesen Weg zu gehen. Auch wenn ich weiß, dies ist für mich persönlich nicht bis zur letzten Konsequenz und nicht in jeder Formulieru­ng und Situation durchzuhal­ten. Das finde ich auch legitim, weil Sprechen nicht Mathematik ist.

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ZiB 1-Moderator Tarek Leitner sorgt mit seiner kleinen Pause vor dem Binnen-I derzeit für Gesprächss­toff in Österreich­s Wohnzimmer­n
ORF Schon gehört? ZiB 1-Moderator Tarek Leitner sorgt mit seiner kleinen Pause vor dem Binnen-I derzeit für Gesprächss­toff in Österreich­s Wohnzimmer­n
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