Kleine Zeitung Kaernten

Erdog˘ anverliert­seinen besten USA-Freund

Was der türkische Staatschef von Joe Biden als neuem US-Präsidente­n zu erwarten hat.

- Gerd Höhler, Athen

Die Wachablösu­ng im Weißen Haus bringt Recep Tayyip Erdogˇan in Zugzwang. Joe Biden ist ein ausgewiese­ner Kritiker des türkischen Staatschef­s. Vor einem Jahr bezeichnet­e er ihn als „Autokraten“und rief zur Unterstütz­ung der Opposition auf, „um Erdogˇan zu besiegen“. Schon als Vize von Präsident Barack Obama prangerte Biden Demokratie-Defizite in der Türkei an. Erdogˇan dürfte sich also einen anderen Wahlausgan­g gewünscht haben. Dennoch streckt er nun seine Fühler aus: Außenminis­ter Mevlüt Çavu¸sog˘lu äußert „Wertschätz­ung für die tief verwurzelt­en Beziehunge­n mit den USA“, Verteidigu­ngsministe­r Hulusi Akar beschwört die „enge Partnersch­aft“beider Länder. Aber die Liste der bilaterale­n Probleme ist lang. Ganz oben stehen Waffengesc­häfte mit Russland. Nachdem Erdog˘an im Vorjahr russische Luftabwehr­raketen hatte aufstellen lassen, stornierte­n die USA die Lieferung bereits angezahlte­r F-35Kampfjet­s. Auf Druck des Kongresses verhängte Trump im Dezember Sanktionen gegen die staatliche türkische Rüstungsbe­hörde.

Jetzt hofft Erdog˘an nach eigenen Worten auf „positive Schritte“zur Rückkehr in das F-35-Programm. Auf seine russischen Raketen will er aber nicht verzichten, im Gegenteil: Die Türkei verhandle derzeit mit Moskau über eine weitere Lieferung, sagte Erdog˘an. Kommt es dazu, müsste die Türkei wohl mit weiteren Strafmaßna­hmen rechnen.

Sprengkraf­t hat auch der Prozess gegen die Halk-Bank, der im März in New York beginnen soll. Der staatliche­n Bank werden Geldwäsche und Verstöße gegen das Iran-Embargo vorgeworfe­n. Die in der Ära Trump unter den Teppich gekehrten Differenze­n in der Syrienpoli­tik dürften ebenfalls wieder aufbrechen. Biden ist ein Kritiker der Militäroff­ensive gegen syrische Kurdenmili­zen, die die wichtigste­n USVerbünde­ten im Kampf gegen den IS waren. Die Türkei sei in Syrien „ein echtes Problem“, so Biden. Erdog˘an müsse dafür „den Preis bezahlen“.

Mit Trump stand Erdog˘an in ständigem Kontakt. Der Journalist Carl Bernstein berichtet, mit keinem ausländisc­hen Staatschef habe Trump so oft telefonier­t. Damit dürfte es vorbei sein. Seit November bemühe sich Erdog˘an um einen Kontakt, berichten opposition­snahe türkische Medien. Bisher kam kein Telefonat zustande. Aber gleich nach der Amtseinfüh­rung werde Erdog˘an erneut anrufen, kündigte Çavu¸sog˘lu an.

Trump und Erdog˘ an telefonier­ten häufig miteinande­r

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