„Wir haben sehr treue Abonnenten“
Ernest Hoetzl, Chef des Kärntner Musikvereins, über seine Dirigate an der Scala und in Kasachstan, verschobene Konzerte und eine „kleine Sensation“im Herbst.
Gerade ist der Lockdown ver- längert worden. Wie geht es Ihnen in diesen Zeiten? ERNEST HOETZL: Mir persönlich gut. Ich habe ja das Glück, dass ich an der Universität lehre, und da geht der Unterricht weiter, wenn auch online. Mir tut es vor allem für die Kollegen leid, die freischaffend musizieren. Viele sind durch alle Netze gefallen. Wobei: Bei uns gibt es immerhin Netze. Noch schlimmer etwa ist die Situation in den USA. Der Dirigent Fabio Luisi, der lange an der New Yorker Met gearbeitet hat, hat mir von arrivierten Kapellmeistern erzählt, die ihre Häuser verkaufen müssen. Die Met hat ja gleich bis Ende 2021 geschlossen, für die Leute, die dort arbeiten, ist das eine Katastrophe.
Da hatten Sie mehr Glück: Sie haben im letzten Herbst sogar an der Mailänder Scala dirigiert.
Ich muss zugeben: Ich persönlich bin ein Profiteur der Coronakrise. Ohne diese Epidemie
hätte ich wohl nie eine Chance auf ein Dirigat an der Scala gehabt. Viele internationale Dirigenten konnten im Herbst nicht reisen und große Konzerte durften nicht stattfinden. Und so hatte ich das Glück, im Oktober ein Konzert mit Musikern des Hauses zu dirigieren. Das war eine großartige Erfahrung. Und im November war ich dann auch noch als Dirigent in Kasachstan eingeladen.
Wie war das denn möglich?
Das hat mich der österreichische Botschafter dort auch gefragt (lacht). Ich habe schon öfters in Kasachstan dirigiert und habe gute Beziehungen dorthin, ich spreche ja unter anderem auch Russisch. Aber es war jede Menge Papierarbeit notwendig, damit es dann wirklich geklappt hat. Ich bin dann mit einem Flieger, in dem sicher 300 Leute Platz haben, hingeflogen – wir waren zwölf Passagiere. Das Konzert hat vor 50 Menschen in einem Konzertsaal stattgefunden, in dem 2000 Besucher Platz haben, aber es gab einen Live-Stream. Und ich habe ziemlich viele Interviews gegeben, weil es so ungewöhnlich war, dass ein Ausländer vor Ort dirigieren durfte.
Die nächsten Konzerte des Musikvereins wären im Februar mit einer Kammermusik-Formation der Philharmoniker der Scala und danach mit der Beethoven-Philharmonie gewesen. Was passiert jetzt mit diesen Konzerten?
Ich habe mit den Orchestern, die bei uns gastieren werden, Verträge über Ausweichtermine. Sobald sich ein Fenster öffnet, spielen wir. Wir brauchen ungefähr eine Woche Vorlaufzeit. Ich bin grundsätzlich ein Optimist: Man kann weder die Kulturhäuser noch die Grenzen immer zulassen.
Wie reagieren die Abonnenten allgemein auf die vielen Verschiebungen und Schließungen?
Wir haben Gott sei Dank sehr treue Abonnenten, die uns gesagt haben: Wir kommen, wann immer ihr spielt. Und notfalls auch am Nachmittag. Aber natürlich gehören viele unserer Abonnenten zur Silbergeneration, die da halt auch Zeit hat.
Sie haben ja durch die vielen Abonnenten alle Konzerte gut verkauft. Aber das gilt nur, wenn die Konzerte auch stattfinden ...
... und ich kann Ihnen sagen: Die finden auch statt. Unter Umständen muss es Ersatzorchester geben – so hätten wir im Frühjahr das Neojiba Orchestra Brazil zu Gast gehabt. Das wird wohl nicht gehen. Da finden wir dann andere Lösungen. Und wenn wir im Frühjahr nicht spielen können, dann spielen wir eben später. Im Vorjahr haben wir auch unsere Konzerte im frühen Herbst nachgeholt. Und apropos Herbst: Da ist uns eine kleine Sensation gelungen.
Und zwar?
Die Philharmoniker der Scala kommen zu uns, und zwar nicht nur ein Kammerensemble, sondern das ganze Orchester. Das haben wir uns schon länger gewünscht, aber bisher konnten wir uns das nicht leisten. Denn zu ihren Forderungen gehört normalerweise, dass sie mit einem Privatjet anreisen. Aber da hat uns die Pandemie geholfen: Jetzt freuen sie sich, wenn sie gebucht werden, und sind daher nicht nur günstiger, sondern sie kommen auch mit dem Bus.