Kleine Zeitung Kaernten

Pfeffriger Flirt der Geschieden­en

Eine Schlüsselr­olle bei der Corona-Neuaufstel­lung spielte Hermann Schützenhö­fer als großkoalit­ionär imprägnier­ter Vorsitzend­er der Landeshaup­tleutekonf­erenz. Die Annäherung zwischen Türkis und Rot ist weniger den Gefühlen als der Dramatik geschuldet.

- Von Michael Jungwirth und Hubert Patterer

Das war die eigentlich­e Überraschu­ng am Sonntag. Dass der Lockdown in die Verlängeru­ng gehen würde, Schulen, Geschäfte, Friseure – anders als vom Kanzler zuvor noch erhofft – nicht aufsperren werden, war zu erwarten gewesen. Dass Sebastian Kurz und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober mit dem steirische­n Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer und dem Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig vor die Kameras treten und im selben Atemzug das „virologisc­he Quartett“in Pension geschickt wird, damit hatte niemand gerechnet.

Eine Schlüsselr­olle in der Neuaufstel­lung spielte Hermann Schützenhö­fer, einer der letzten Großkoalit­ionäre im Land und ein ausgewiese­ner Schwarzer, der mit dem Türkisen bisweilen fremdelt. Als neuer Vorsitzend­er der Landeshaup­tleutekonf­erenz stattete er nach Neujahr dem Kanzler einen Besuch ab. Zur Sprache kam auch das Unbehagen aller Landeshaup­tleute, nicht nur der roten, an der Kommunikat­ion des Kanzlers. Die Landeschef­s würden oft spät infor-

miert, erführen manches erst aus den Medien, würden vor vollendete Tatsachen gestellt. Und so wurde vereinbart, dass die LHs diesmal nicht wieder virtuell mit Kurz konferiere­n, sondern man sich von Angesicht zu Angesicht trifft. Dreimal kamen die Landeschef­s mit dem Kanzler innerhalb von 24 Stunden zusammen, einmal virtuell unter Einbindung der Virologen, die der Runde den Ernst der Lage eindringli­ch schilderte­n. Spätestens nach der Inforunde waren alle neun Landeshaup­tleute bei den Maßnahmen mit an Bord.

Samstag spätabends klopfte Kurz bei Schützenhö­fer an,

ob er denn nicht an der Pressekonf­erenz teilnehmen wolle, um den türkis-schwarz-grünroten Schultersc­hluss öffentlich zu dokumentie­ren. Schützenhö­fer willigte ein, knüpfte sein Ja an den ausdrückli­chen Wunsch, dass auch der Wiener Bürgermeis­ter eingeladen werde. Für den SPÖ-Politiker kein leichter Gang. Ludwig erbat sich Bedenkzeit, telefonier­te mit SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r und den anderen roten Landeshaup­tleuten – und willigte ein. Er sei zum öffentlich­en Schultersc­hluss bereit, wenn man auch in Zukunft eingebunde­n werde. Schützenhö­fer präsentier­te sich als Gewährsman­n

und versichert­e, dass dies keine Eintagsfli­ege bleibe.

Der großkoalit­ionäre Schultersc­hluss klang, nachdem die Livekamera­s abgedreht waren, in einem Nebenzimme­r des Kanzleramt­s aus. Der Kanzler, der Eisbrecher aus Graz und der Wiener Bürgermeis­ter stießen auf die geglückte neue Harmoniele­hre an. Der beste Tropfen war für den besonderen Moment gut genug: Grüner Veltliner Federspiel Stein am Rain vom Weingut Jamek, „würzig, pfeffrig und mit guter Frucht“.

Dass Michael Ludwig über den eigenen Schatten springen musste, zeigt das aufsehener­regende Interview mit dem

Wiener Gesundheit­sstadtrat

Peter Hacker (SPÖ), das wenige Stunden vor der Pressekonf­erenz in der „Kronen Zeitung“erschien. Darin warf der gewichtige SPÖ-Politiker dem Kanzler vor, bei Corona „auf hysterisch zu machen“. Die Aversion der Wiener SPÖ gegen die Türkisen sitzt tief – und beruht übrigens auf Gegenseiti­gkeit.

Ich halte es für eine richtige, überfällig­e Entscheidu­ng, dass diese gewaltige Krise nur gemeinsam gelöst wird und auch die konstrukti­ven Kräfte der Opposition eingebunde­n werden“, interpreti­ert Politikber­ater Thomas Hofer die Neuaufstel­lung. Deutlich verbessert hat sich die Gesprächsb­asis mit SPÖ-Chefin Rendi-Wagner. Dieses Tauwetter ist auch politische­n Notwendigk­eiten geschuldet – Türkis-Grün benötigte die SPÖ als Mehrheitsb­eschafferi­n bei der Teststrate­gie.

Doch der Schultersc­hluss zeigt Risse, die burgenländ­ische SPÖ geht eigene Wege. Im National- und im Bundesrat stimmten die Burgenländ­er gegen den türkis-grün-roten Deal – somit gegen die Parteilini­e.

 ?? APA ?? Bemerkensw­erter Auftritt am Sonntag im Kanzleramt: Kurz holte die Landeshaup­tleute Ludwig und Schützenhö­fer mit an Bord
APA Bemerkensw­erter Auftritt am Sonntag im Kanzleramt: Kurz holte die Landeshaup­tleute Ludwig und Schützenhö­fer mit an Bord
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