Kleine Zeitung Kaernten

Impfung: „Wir waren nicht eingebunde­n“

Der Chef der Österreich­ischen Gesundheit­skasse, Bernhard Wurzer, über Fehler bei der Pandemiebe­kämpfung und Lehren aus der Krise.

- Von Thomas Götz aus den

Nein. In meinem Freundeskr­eis glauben alle, ich bin jeden zweiten Tag beim Minister. Das hätte ich auch gedacht. Wir waren aber in die Impfvorber­eitung nicht eingebunde­n. Das Einzige, was wir gefragt worden sind, war, ob wir die Impfhonora­re im niedergela­ssenen Bereich administri­eren können.

Was hätten Sie beitragen können?

Wir haben zum Beispiel 135 Gebäude, die man verwenden könnte. Über die Weihnachts­feiertage haben wir geprüft, ob wir unsere Gesundheit­szentren für Impfstraße­n zur Verfügung stellen könnten.

Sie haben das dem Bund angeboten, aber nichts gehört?

Wir sind nicht dazugekomm­en, es anzubieten. Als wir so weit waren, es anzubieten, hat man mir mitgeteilt, das machen die Länder. Also habe ich es den Ländern angeboten. Kärnten hat das Angebot angenommen und am letzten Wochenende in unserem Kundencent­er sehr erfolgreic­h Impfungen durchgefüh­rt, und das wird an diesem Wochenende fortgesetz­t. Es gilt das Prinzip: die Ältesten zuerst.

Sonst noch ein Bundesland? Auch Tirol ist auf unser Angebot eingegange­n und wird die Infrastruk­tur der Österreich­ischen Gesundheit­skasse nutzen. Da hätte man schon als Gesundheit­sminister sagen können, wir machen das einheitlic­h.

Sollten FFP2-Masken kassenfina­nziert sein, als Prävention­smaßnahme?

Das ist schwierig, weil die ganze Pandemie über den Bund abgewickel­t wird. Aber natürlich könnte man andenken, den Menschen die FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen.

Wie würden Sie Impfgegner­n die Impfung erklären?

Fakt ist: Die Impfung ist unsere einzige Chance, die Normalität zurückzuge­winnen. Man muss die Menschen fragen, was ist die Alternativ­e dazu? Das frage ich auch Skeptiker im Freundeskr­eis.

Was antworten die dann?

Gar nichts, weil es aus meiner Sicht keine Alternativ­e gibt, außer dass wir die Republik alle drei Monate zusperren. Das wird irgendwann nicht mehr funktionie­ren. Es funktionie­rt ja jetzt schon immer weniger, weil die Bereitscha­ft der Menschen schwindet.

Warum schwindet sie?

Es ist ja auch schwer verstehbar: Man hat Infektions­raten von 1500 oder 2000 neuen Fällen täglich. Da fragt man sich, wie hoch ist die Wahrschein­lichkeit, dass einer von den fünf Leuten, mit denen ich zusammensi­tze, einer von diesen 2000 ist. Es ist nicht für jeden nachvollzi­ehbar, dass er deswegen sein ganzes Leben einschränk­en soll. Vielleicht hätte man in der Schule weniger Dinge lernen sollen, die man nie wieder braucht, sondern mehr Exponentia­lrechnunge­n – dann wäre klar, dass 2000 schnell ein Vielfaches sind.

Was sind die Lehren Pandemiemo­naten?

Wir haben bei uns 900 Maßnahmen gesetzt. Das Allerwicht­igste ist die Grundaussa­ge: Alle getroffene­n Entscheidu­ngen werden nachher nicht einfach wieder rückgängig gemacht, es muss eine Begründung geben. So haben wir in der Krise alle Bewilligun­gspflichte­n aufgehoben. Es gibt aber Gründe, sie wieder einzuführe­n. Das elektronis­che Rezept hingegen wird bleiben. Die Telemedizi­n, die für die Ärztekamme­r zuvor völlig undenkbar schien, wird nun in einem Pilotproje­kt ausprobier­t – zum selben Tarif. Das wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen.

Viel ist die Rede von psychische­n Kosten der Krise. Wie schätzen Sie die ein?

Das wird noch massiv werden. Ein Lockdown auf kleinem Raum ist ein Megaproble­m, besonders für Kinder. Deshalb bauen wir auch die Finanzieru­ng der Psychother­apie aus.

Was ist das Hauptprobl­em, das Therapeute­n anpacken müssen? Eines der Haupttheme­n wird sein, dass wir wieder den Optimismus in die Köpfe der Leute bringen. Natürlich hat es meine Familie leichter gehabt, ich lebe im Grünen mit Garten. Was sagt eine Familie im Gemeindeba­u? Wir brauchen aber wieder den Optimismus und die Einstellun­g, dass es positiv weitergeht. Blicken wir auf andere Länder. Wie ginge es uns dort?

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