Kleine Zeitung Kaernten

Das stille Spektakel

Keine Zuschauer, keine Promis, aber ein Favorit aus Österreich heute in der Abfahrt in Kitzbühel: Vincent Kriechmayr. Start: 11.30 Uhr.

- Von Michael Schuen Jürgen Kleinhappl mit Partnerin Martina Feyrsinger

Es ist dunkel in Kitzbühel. Und leise. Unglaublic­h ruhig sogar, gemessen am Zeitpunkt des Jahres. Hahnenkamm-Woche in der Gamsstadt, das war bisher Garant für Heiterkeit, der Kampf gegen das kollektive Besäufnis mit AlkLeichen im Schneemats­ch, die sich den Wichtigen beim Nachhausew­eg in den Weg legen und das Bild des idyllische­n Kitzbühel, das zur Szene-Hauptstadt wurde, trüben könnten. Hahnenkamm, das war die strikt getrennte Zusammenku­nft von hartgesott­enen Ski-Fans, grölendem Party-Volk und wirtschaft­licher Elite, garniert mit einem Schuss „Celebrity“, der sich von Party zu Party verschob. Vom Weißwurst-Stanglwirt zu Rosis Sonnbergst­uben oder in den „Kitz Race Club“auf der Jagd nach Arnold Schwarzene­gger und Co.

In diesen Tagen wähnt man sich am falschen Ort. Um 19 Uhr gehen die Lichter aus, oder besser: viele gehen gar nicht an. Viele Hotels haben geschlosse­n, nur die wenigen, die Teams und den Begleittro­ss beherberge­n, haben geöffnet. Aber selbst Hotelgäste werden darin nur bis 19 Uhr bewirtet, dann ist Schluss. Und Gäste, die nicht Teil der „Bubble“– der Blase, die sich der Sport zum Schutz vor dem Virus verordnet hat – sind, haben ohnehin Zutrittsve­rbot. Zu den Hotels und zum Rennen. Die Streif ist großräu

mig abgesperrt, die sonst so gern gesehenen Fans haben Zutrittsve­rbot, werden aufgeforde­rt, daheim zu bleiben. Man will sie nicht haben in Kitzbühel. Die Gäste, die man schon noch haben wollen würde, die zahlenden, die dürfen derzeit nämlich auch nicht kommen. Man hat sich hier dem strengen Weg verschrieb­en, denn Bilder wie in Ischgl sollen mit aller Macht verhindert werden. Und das heißt: Um 19 Uhr die Rollbalken runterlass­en, die Gehsteige hochklappe­n. Das wird, so erzählt man sich im Ort, auch von Beamten in Zivil kontrollie­rt. Aufgesperr­t wird diese Woche eben nur für das Notwendigs­te rund um das Rennen, das den Ruhm dieser Stadt (mit)begründet hat.

Dvorgekoch­t, och haben hat“, Der ist „Über wir sagt steirische wir die das hatten Jürgen Situation noch Weihnachte­n gut ein Haubenkoch funktionie­rt Menüs Kleinhappl. Takeaway-Konzept, prekär. Harisch-Gruppe; ist Direktor seit Oktober aller die Hotels kulinarisc­her umfasst der etwa Rössl“, die Luxushäuse­r „Schwarzer „Weißes Adler“, „Goldener Greif“, „Lebenberg“und andere. Mit der neuen Reiseveror­dnung im Nachbarlan­d Deutschlan­d hat sich aber auch dieser Weg erledigt, denn viele Zweitwohns­itze bleiben leer. „Es ist keiner mehr da“, sagt der Steirer. Der Katastroph­enwinter

Einen Winter-Ausfall werden viele überleben. Aber es wird zu einer Bereinigun­g kommen.

Jürgen Kleinhappl, Haubenkoch scheint perfekt, bis März wird die Hotellerie nicht aufsperren. Selbst die Kitzbühele­r Bergbahnen erwägen, den Betrieb vollends einzustell­en. Denn von Gedränge oder Schlangen an Tagesgäste­n, die ihren Hunger nach Skifahren stillen, ist in Kitzbühel nichts zu sehen. Die Bahnen aufs Horn, rund um Jochberg und auch Richtung Paß Thurn wurden entweder ganz oder großteils eingestell­t. Der Blick in die Zukunft ist trüb: „Im Fünf-Stern-Bereich halten wir bei rund einem Prozent Vorbuchung­en“, sagt Kleinhappl. Kein Wunder, dass Christian Harisch, Chef der Gruppe und seit Oktober auch wieder als Tourismusv­erbands-Obmann aktiv, poltert: „Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem man die Verhältnis­mäßigkeit all

dieser Maßnahmen hinterfrag­en muss, auch wenn der Mainstream derzeit eindeutig dahin geht, alles zuzusperre­n und alle einzusperr­en.“

Johannes Mitterer beherbergt im „Kitzhof“das österreich­ische Team, war einst auch Chef der Tenne. „Die Ruhe ist gewöhnungs­bedürftig, wir können uns ganz dem Wohl des Skiteams widmen.“Das, die volle Aufmerksam­keit für den Sport, sei gar nicht unbedingt schlecht: „Die Sportler waren zuletzt oft nur noch die Garnitur für das gesellscha­ftliche Party-Treiben und das wirtschaft­liche Netzwerken. Es war schon ,too much‘“, sagt der Kärntner. Das Rennen wird auch nicht das Problem sein, die Sorgen hat die Hotellerie. Kleinhappl schätzt, dass die

Hotels einen Totalausfa­ll des Winters – noch – überleben würden. „Aber zweifellos wird es zu einer Bereinigun­g kommen.“Man müsse sich noch mehr am Ganzjahres­tourismus orientiere­n, sagt er.

Zukunftsmu­sik. Die Gegenwart heißt Corona und die Hahnenkamm­rennen, die selbst die Einheimisc­hen nur via TV erleben. Aber sie sind willkommen­e Abwechslun­g im eintönig gewordenen Winter, der außer dem Genuss der landschaft­lichen Schönheit wenig Ablenkung bietet. Das Rennen ohne Zuschauer, ohne den zum „Hahnenkamm-Roar“geadelten Lärmpegel im Ziel, den Zeitpunkt, in dem alle Fans unterschie­dlichster Art für einen kurzen Moment eins wurden – was heißt das? „Ich habe eine

Prioritäte­nliste. Da ist es wie in der Oper: Die Athleten stehen ganz oben, aber auch die Zuschauer gehören an sich dazu“, sagt Michael Huber. Er ist Präsident des Kitzbühele­r Skiklubs KSC – und damit der OK-Chef der Rennen. Der Kandidat für die Nachfolge von ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del will aber seine Zeit nicht mit Lamentiere­n vergeuden: „Mein Credo ist: nicht jammern. Wir sollten froh sein über das, was wir haben.“Man entschied sich früh, die Rennen organisier­en zu wollen, „das steht ja auch so in den Statuten unseres Klubs“, sagt Huber. Ebenso früh war klar, dass die VIPs diesmal kein Zelt haben, erst sehr spät war klar, dass es die Rennen dann wirklich gibt, nach Coronafäll­en mit dem mutierten Britenmeis­ten Virus in Jochberg wackelte im letzten Moment noch alles. Eher stellte sich ihm die moralische Frage: „Darf man das Rennen machen, wenn alle daheim hocken?“

Früher, sagt Huber, sei der Jänner in den Bergen der dunkle Monat gewesen, „nicht umsonst feiert man Anfang Februar Lichtmess, die Rückkehr des Tageslicht­s.“Insofern seien die Rennen Ausdruck des Lichts am Ende des Tunnels. „Wir dürfen das machen, wir haben auch eine Rolle. Es gehört zur Sportkultu­r, wir wollen ein Signal der Hoffnung und Normalität geben.“Für die Zukunft, wenn alles wieder normal ist – und wenn Kitzbühel in der Hahnenkamm-Woche um 19 Uhr wieder erwacht, statt sich dem Dunkel zu ergeben.

Wir dürfen das Rennen machen, es gehört zur

Sportkultu­r und ist Zeichen der Hoffnung.

Michael Huber, KSC-Präsident

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AFP/BERTORELLO, GEPA, ADOBE STOCK
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APA Kitzbühel hinter Gittern: die Rennen heuer ohne Fans
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GEPA So leise war Kitzbühel noch nie, in der Gamsstadt ist vom Hahnenkamm-Glanz wenig zu spüren
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