Kleine Zeitung Kaernten

„Mein Mann wird mir den Rücken freihalten“

Erst vor einer Woche übernahm Integratio­ns- und Frauenmini­sterin Susanne Raab die Agenden Familie und Jugend, im Juli erwartet sie ein Kind. Ein Gespräch über neue Kompetenze­n, schlechtes Gewissen und die Trennung von Frauen- und Familienpo­litik.

- Von Christina Traar

Nach dem Ausscheide­n von Christine Aschbacher haben Sie die Bereiche Familie und Jugend übernommen. Werden Sie dafür extra angelobt?

SUSANNE RAAB: Dazu hat es eine Änderung des Bundesmini­sterienges­etzes gebraucht, die in den kommenden Tagen in Kraft treten wird. Extra angelobt für die neuen Ressorts werde ich nicht.

Martin Kocher wurde für die Arbeitsage­nden sehr wohl angelobt. Sind die Ressorts Familie und Jugend weniger wert?

Nein, Kocher war ja im Gegensatz zu mir kein Minister. Mir werden zusätzlich­e Kompetenze­n übertragen.

Sie sind im fünften Monat und wussten damit schon bei der Annahme der neuen Ressorts von Ihrer Schwangers­chaft. Hat Sie das zögern lassen?

Nein, ich habe mich über die neue Aufgabe sehr gefreut. Und es ist schön, wenn man in die Tätigkeit als Familienmi­nisterin seine eigenen Erfahrunge­n mit einfließen lassen kann. Darauf freue ich mich.

Fühlen Sie sich kompetente­r, Familienpo­litik zu machen, nachdem Sie nun eine eigene gründen?

Nein, ich glaube nicht, dass das ein Qualifikat­ionskriter­ium ist. Man kann Dinge, die man nicht selbst erlebt, durch Gespräche ausgleiche­n, um über die Lebensreal­ität anderer Bescheid zu wissen. Aber es ist schön, wenn man über gemeinsame Erfahrunge­n sprechen kann. Vor allem bei der Vereinbark­eit von Familie und Beruf.

Über diese Vereinbark­eit haben Sie mit Ihrer ÖVP-Parteikoll­egin Elisabeth Köstinger gesprochen, die ebenfalls als Ministerin Mutter wurde. Was hat sie Ihnen geraten?

Genau wie Elli Köstinger habe ich einen wunderbare­n Mann, der in Karenz gehen und mir so den Rücken freihalten wird.

Wer wird Ihre nun vier Ressorts während Ihrer Babypause übernehmen?

Das wird noch entschiede­n. Jetzt will ich mit voller Kraft in die Familienag­enden starten.

Welche inhaltlich­en Eckpfeiler wollen Sie hier einschlage­n?

Der Fokus wird nun zu hundert Prozent darauf liegen, Familien gut durch die Krise zu bringen. Wir können hier finanziell­e Entlastung in prekären Situatione­n schaffen. Etwa durch den Familienhä­rtefonds, aber auch durch Erleichter­ungen beim Unterhalts­vorschuss. Wir müssen aber an vielen Schrauben drehen.

Unterricht zu Hause ist eine große Herausford­erung. Nun wurden Forderunge­n laut, wonach nur Kinder von in systemrele­vanten Berufen tätigen Eltern in die Betreuung geschickt werden sollen. Was halten Sie davon?

Ich setzte mich immer dafür ein, dass Schulen und Betreuungs­einrichtun­gen offen sind und jenen zur Verfügung stehen, die sie brauchen. Zudem ist der Rechtsansp­ruch auf Sonderbetr­euungszeit – wenn die Einrichtun­g schließen muss – wichtig, damit die Mutter oder der Vater beim Kind sein kann.

Wie erklären Sie sich das, dass sich viele schlecht fühlen, Kinder in die Betreuung zu geben? Weil es andere auch ohne schaffen.

Wir sollten aufhören, uns gegenseiti­g ein schlechtes Gewissen einzureden. Jene, die schnell wieder berufstäti­g sind, gelten fälschlich­erweise als Rabenmütte­r, und jene, die länger zu Hause bleiben, als Heimchen am Herd. Jede Familie soll ihr eigenes Modell wählen können, die Politik muss die Rahmenbedi­ngungen dafür schaffen. Betreffend Ausbau der Kinderbetr­euungseinr­ichtungen müssen wir beispielsw­eise weiter dranbleibe­n. Österreich ist zudem im internatio­nalen Vergleich im Spitzenfel­d, was Familienle­istungen wie die Familienbe­ihilfe betrifft.

Fern ab des Spitzenfel­des sind wir, was die Väterkaren­z betrifft, Ihr Partner und jene von Köstinger und Justizmini­ster Zadic sind seltene Ausnahmen. Warum?

Es braucht hier ein gesellscha­ftliches Umdenken und Vorbilder. Im Umfeld meines Mannes ging bisher kaum jemand in Karenz, obwohl seine Firma das unterstütz­t. Die partnersch­aftliche Aufteilung der Kinderbetr­euung muss einfach selbstvers­tändlich werden.

Fehlende Vorbilder sind aber wohl weniger Argument gegen die Väterkaren­z als teils große Einkommens­unterschie­de.

Dafür gibt es finanziell gleichstel­lende Maßnahmen wie das automatisc­he Pensionssp­litting. Man muss hier viele Bereiche berücksich­tigen und bei Mädchen und Frauen ansetzen, indem wir sie in besser bezahlte Berufe bringen. Und so

monetäre Unterschie­de ausgleiche­n.

Nun sind Sie auch für die Jugend zuständig, die unter der Isolation leidet. Mit welchen langfristi­gen Folgen rechnen Sie hier?

Kreativ kann nur sein, wer entspreche­nde Mittel hat. Jene aus bildungsfe­rnen Familien haben teils keinen Laptop, geschweige denn ein eigenes Zimmer.

Auch hier braucht es die richtigen Rahmenbedi­ngungen. Ich bin froh, dass der Bildungsmi­nister die Schülerinn­en und Schüler mit Endgeräten ausstattet und vermehrt auf Förderunte­rricht setzt.

Viele mit geringen Deutschken­ntnissen verstehen die Maßnahmen nicht. Was läuft schief?

Als Integratio­nsminister­in ist es grundsätzl­ich mein Ziel, dass die Menschen Deutsch lernen. Jetzt steht aber der Gesundheit­sschutz im Vordergrun­d. Deshalb haben wir eine InfoOffens­ive in 17 Sprachen gestartet und informiere­n in Communitys. Aber ja, das erfordert Eigeniniti­ative.

Als Ex-Sektionsch­efin gelten Sie in Sachen Integratio­n als kompetent, bei den Frauenagen­den werfen Kritiker Ihnen fehlenden Fokus vor. Jetzt haben Sie noch zwei Ressorts ungewollt dazubekomm­en. Geht sich das aus?

Wer sagt, dass ich die Ressorts nicht will?

Haben Sie aktiv um die neuen Agenden gebeten?

Ich habe mich sehr gefreut, als ich gefragt wurde, ob ich das übernehmen möchte. Ich finde es aber wichtig, Frauenpoli­tik nicht mit Familienpo­litik gleichzuse­tzen. Anderersei­ts gibt es viele Synergien, die ich nutzen werde.

Aschbacher stolperte über Plagiatsvo­rwürfe, nun soll auch Ihre akademisch­e Leistung in Jus und Psychologi­e durchleuch­tet werden. Beunruhigt Sie das?

Nein, ich bin sehr stolz darauf, zwei Studien abgeschlos­sen und einen Doktor gemacht zu haben. Das kann man gern prüfen.

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