Corona und die Globalisierung
Ausgerechnet ein Virus hat Globalisierungskritikern, rechten Populisten und Anhängern isolationistischer Politik Rückenwind verliehen. Trumps Amerika und Johnsons Großbritannien haben den Boden für ein Klima der Ausgrenzung, Abgrenzung und Eingrenzung bereitet. Selbst wenn es nach dem Ende der Coronakrise zu einem Wirtschaftsboom kommt, sind kaum Langzeiteffekte zu erwarten. Globalisierung als Wachstumsbringer verliert weiter an Dynamik, nicht erst seit der Finanzkrise 2008. Die Liberalisierung des Welthandels, der freie Austausch von Kapital, Gütern und Dienstleistungen musste irgendwann an seine Grenzen stoßen. Kein System kann ewig auf Kosten anderer profitieren. Corona führt uns deutlich vor Augen, wer die Rechnung für das immer dynamischere Wirtschaftsleben bezahlt. Ein – paar Monate Lockdown reichen aus, dass Millionen Menschen in die Armut stürzen. Die Politik – bezahlt den Preis dafür. In Europa wie in den USA vereinigen sich Coronaleugner, Impfgegner und Verschwörungstheoretiker zu einem gefährlichen Mob, der offen zum Umsturz demokratisch gewählter Institutionen aufruft. Angeblich geht es um verlorene Werte – aber welche? Das Recht, Waffen zu tragen? Reichtum zu horten, Andersgläubige zu diskriminieren, Frauen zu benachteiligen? Arbeitslose von der Sozialfürsorge auszunehmen, Obdachlose wegzusperren und Flüchtlinge abzuschieben? Oder geht es doch um grundlegende humane Werte wie Respekt, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber Armen und Schwachen, Wertvorstellungen, die sich trotz Corona kaum verschoben haben dürften?
„Globalisierung und Regionalisierung im Sinne einer vernünftigen und nachhaltigen Arbeitsteilung schließen einander nicht aus.“
Jeder Mensch erwartet sich von seinen Mitmenschen Anständigkeit und Fairness. Dasselbe erwarten sich auch Organisationen im bilateralen Austausch. Globalisierung und Regionalisierung – im Sinne einer vernünftigen und nachhaltigen Arbeitsteilung – schließen einander demnach nicht aus. Egal ob global oder regional, es wird eine intelligente Kombination sein, die langfristig Erfolg für die Menschheit verspricht.
Wilfried Seywald ist Kommunikationsberater und organisiert die Europäischen Toleranzgespräche vom 19. bis 22. Mai in Villach und Fresach