Die Anlauf-Verkürzung ist ein Spiel mit dem Feuer
Die großen Favoriten sind bei dieser WM geschlagen: Halvor Egner Granerud kann aufgrund einer Covid-Infektion nicht mehr starten und Sara Marita Kramer musste sich erneut mit einem bitteren vierten Rang zufriedengeben. Das Niveau dieses ersten Großschanzenbewerbs bei den Damen war extrem hoch, die Bedingungen nicht einfach, und so gab die Routine den Ausschlag: Maren Lundby holte vor Sara Takanashi Gold.
Bis zum Probesprung hatte Kramer ihre Favoritenrolle klar verteidigt, doch dann schien der Flow zu reißen. Vielleicht hatte sie die Anlaufverkürzung von Cheftrainer Harald Rodlauer verunsichert, bei der Kramer nicht auf die Sollweite gekommen war. Ich weiß aus Erfahrung, dass dies – auch wenn der Probesprung nicht zählt – vor allem junge Athleten irritieren kann. Die bewusste Verkürzung des Anlaufs durch den Trainer ist immer ein Spiel mit dem Feuer, ein Grenzgang. Doch da die Jury beim ersten Bewerb auf die enormen Weiten Kramers keine Rücksicht genommen hatte und dann eine Fehlentscheidung traf, war Rodlauer gezwungen, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Zudem hat Kramer bei der Landung großes Entwicklungspotenzial, der Telemark funktioniert bei großen Weiten (noch) nicht. Skispringen ist so ein sensibler Sport, schon leichte Unsicherheiten können unter großem Druck zur Verkrampfung führen. Es war wohl ihrer Jugend geschuldet, dass Kramer gestern Nerven zeigte.
E xtrem schade ist es, dass bei den Herren der beste Springer der Saison fehlen wird. Ich hoffe, dass bei den ÖSV-Adlern die Corona-Jammerei nun endlich der Vergangenheit angehört: Es gibt einen deutlich schlechteren Zeitpunkt für eine Infektion als den Saisonbeginn. Seit November ist genug Zeit vergangen, um in einen Wettkampfrhythmus zu finden.
gewann als Skisprungtrainer 32 Medaillen bei Großereignissen.