Kleine Zeitung Kaernten

Rendi-Wagner übt scharfe Kritik an Corona-Öffnung.

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner wirft Regierung eine falsche Öffnungspo­litik vor. Zu Ostern steuere man auf 5000 Fälle zu. Es fehle der Mut, jetzt gegenzuste­uern.

- Von Michael Jungwirth

Unter den Spitzenpol­itikern haben Sie mit Ihrem Coronakurs – Sie sind gegen die Lockerunge­n – ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Fühlen Sie sich als Einzelkämp­ferin? PAMELA RENDI-WAGNER.: Österreich braucht einen konsequent­en Weg der Vernunft und der Sicherheit zum Schutz der Menschen. Es ist unerheblic­h, ob ich die Einzige in der politische­n Landschaft bin. Ich halte mich an die Fakten.

Was ist Ihr Weg?

Die breiten Öffnungen kamen zu früh, weil die Infektions­zahlen noch zu hoch waren. Wir hätten lieber noch ein paar Wochen durchhalte­n sollen, um spätestens zu Ostern schrittwei­se das Land wieder zu öffnen. Auf Dauer. Die Regierung weckt falsche Hoffnungen und muss dann den Retourgang einlegen. Mit dem Auf- und Zumachen verspielt man das Vertrauen der Bevölkerun­g und untergräbt die Glaubwürdi­gkeit von Politik.

Die Regierung öffnet wider besseres Wissen?

Es war bekannt, dass die Mutationen am Vormarsch sind. Ich verstehe, dass die Regierung einem großen Druck ausgesetzt war, aber sie hatte nicht den Mut, dem Druck standzuhal­ten und zu tun, was notwendig gewesen wäre, um einer dritten Welle entgegenzu­wirken und einen neuen Lockdown zu verhindern.

Was wäre jetzt zu tun?

Das Prinzip Hoffnung ist zu wenig, es braucht das Prinzip Handeln, und das rasch. Je länger gewartet wird, um dem Anstieg entgegenzu­wirken, desto gefährlich­er ist die Situation, desto länger der Bremsweg.

Wird man die Schanigärt­en überhaupt aufsperren können?

der vorzeitige­n Öffnung im Februar steigen die Zahlen. Die Entwicklun­g ist brandgefäh­rlich, denn die Zahlen sinken nicht von allein. Die Prognosen zeigen, dass wir zu Ostern über 5000 Fälle haben. Durch die falsche Öffnungspo­litik steuern wir auf eine Situation wie im November zu. Das muss verhindert werden.

Sie empören sich über die Regierung, die Schritte wurden aber im Einvernehm­en mit den Landeshaup­tleuten gesetzt, da waren auch drei rote dabei.

Ich habe großes Verständni­s für die Landeshaup­tleute, egal ob sie aus dem Westen oder dem Osten kommen. Sie vertreten den Wunsch der Bevölkerun­g, und dieser heißt natürlich Öffnungen. Auch ich will öffnen. Die Frage ist nur: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um sicher und dauerhaft öffnen zu können? Die Landeshaup­tleute haben eine andere Rolle als der Bund.

Müssen Sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie mit Ihrem Kurs im Widerspruc­h zur Stimmung stehen?

Nein, im Gegenteil. Ich will eine stabile, dauerhafte Öffnung der Kulturszen­e, der Wirtshäuse­r, der Geschäfte, das heißt ohne weiteren Lockdown. Eine ehrliche Kommu

hätte gelautet: Arbeiten wir gemeinsam daran, dass die Zahlen auf eine Sieben-Tage-Inzidenz von rund 50 sinken. Halten wir drei bis vier Wochen durch, dann können wir dauerhaft öffnen. Was ist die jetzige Lage? Jeder ist tief verunsiche­rt, niemand weiß, was die nächsten Wochen bringen. Diese Jojo-Politik, das Auf und Zu ist Gift für die Wirtschaft und verärgert viele Menschen in dem Land.

Mit Ihrem Kurs stehen Sie im Kreis der SPÖ-Granden alleine da. Haben Sie die Partei im Griff? Es gibt keine rote, türkise, grüne, pinke Corona-Strategie. Ich werde immer sagen, was ich für richtig halte. Dass Landespoli­tiker anderer Meinung sind, ist legitim, das verstehe ich auch. Wir sind in einem permanente­n Austausch, wir haben ein gemeinsame­s Ziel.

Wo ist die Parteidisz­iplin?

Die Virusbekäm­pfung ist keine Frage von Parteidisz­iplin. Das Virus kennt auch keine Parteifarb­e.

Sind Sie derzeit mehr Epidemiolo­gin, weniger Politikeri­n? Es ist kein Nachteil, Expertin in einer Jahrhunder­tpandemie zu sein. Ich vertrete einen ganzheitli­chen Ansatz und habe die Öffnung von KinderSeit gärten und Schulen gefordert. Der gesellscha­ftliche Nachteil geschlosse­ner Schulen ist größer als der epidemiolo­gische Nutzen.

Kärntens Landeshaup­tmann Kaiser fordert, dass Hermagor so wie Schwaz durchgeimp­ft wird. Ist es eine gute Idee?

Die Regierung hat die Daten und muss mit Experten beraten, was zu tun ist. Generell sage ich: Ganz Österreich wartet seit Monaten auf Impfstoffe. Über 80-Jährige warten immer noch. Man sollte mit Sonderkont­ingenten zurückhalt­end sein. Es braucht dringend mehr Impfstoff für ganz Österreich.

Was wäre Ihre Impfstrate­gie als Gesundheit­sministeri­n?

Ich hätte eine so große Impfaktion rechtzeiti­g vorbereite­t in enger Abstimmung mit den Ländern, dem Heer, Hilfsorgan­isationen wie dem Roten Kreuz oder Samariterb­und. Man hätte es zentral abwickeln sollen – und nicht den Fleckerlte­ppich mit neun Impfstrate­gien.

Wer wäre bei Ihnen zuerst drangekomm­en? Senioren oder medizinisc­hes Personal?

Man hätte bei den über 80Jährigen anfangen sollen, sie haben das Risiko, an Covid zu sterben, dann das medizinisc­he Personal. Entscheide­nd sind gute Planungen, keine falschen Hoffnungen. Der Kanzler versprach, dass im Jänner alle über 80-Jährigen durchgeimp­ft sind. Jetzt ist Anfang März, viele warten immer noch.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Kanzler?

Ich habe ein intaktes Gesprächsv­erhältnis mit ihm. Das ist mir wichtig. Gemeinsam an sachlichen Lösungen zu arbeiten, wie etwa bei der

Testnikati­on

strategie, ist wichtig. Aus so einer Situation kommen wir nur gemeinsam heraus. Mein Eindruck ist, dass er da auch gelernt hat.

Im Juni ist Parteitag. Sie treten an?

Ja, natürlich.

Sie sind die Spitzenkan­didatin bei der nächsten Wahl?

Das ist mein Plan.

Soll die SPÖ 2022 einen Hofburg-Kandidaten aufstellen?

Wir sollten warten, ob der

Bundespräs­ident, den ich sehr schätze, noch einmal antritt. Die Frage stellt sich jetzt noch nicht.

Hat Corona einen frauenpoli­tischen Backlash erzeugt?

Die Frauen sind die großen Verliereri­nnen der Pandemie, siehe die Lage am Arbeitsmar­kt. Die Doppeltund Dreifachbe­lastung durch Homeoffice, Homeschool­ing, Haushalt betrifft vor allem Frauen und hat einen gewissen frauenpoli­tischen Backlash erzeugt.

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APA „Corona ist frauenpoli­tisch ein gewisser Backlash“: Rendi-Wagner

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