Kleine Zeitung Kaernten

Das Klatschen ist verhallt

Nach einem Jahr Pandemie finden sich viele Frauen in alten Rollen und prekärer Beschäftig­ung wieder. Die Politik lässt wichtige Hebel, um das zu ändern, ungenutzt.

- Von Christina Traar

Vor genau einem Jahr wurde jeden Abend aus den Fenstern geklatscht und gejubelt. Das Land applaudier­te den sogenannte­n Systemerha­lterinnen, also jenen Frauen, die im Handel oder in der Pflege gearbeitet und das Land am Laufen gehalten haben. Und auch für Mütter in anderen Berufen hatten einige Regierungs­vertreter angesichts geschlosse­ner Betreuungs­einrichtun­gen ein paar warme Worte übrig.

Ein Jahr später ist außer Dankbarkei­t wenig übrig, die Löhne der meisten Systemerha­lterinnen sind so niedrig, wie sie es vor der Krise waren. Neu dazugekomm­en sind wirtschaft­liche Existenzän­gste und vielfach auch eine Reduktion der Arbeitszei­t, um die Doppelbela­stung Familie und Beruf stemmen zu können.

Das rechnet auch die Wirtschaft­sberatung PwC vor: Nach Jahren kontinuier­lich steigender wirtschaft­licher Teilnahme von Frauen scheint sich der Trend nun umzukehren. Um die pandemiebe­dingten Nachteile rückgängig zu machen, müssten bis 2030 doppelt so schnelle Fortschrit­te bei der Gleichstel­lung gemacht werden wie in der Vergangenh­eit. Und bisher ging es damit nicht allzu zügig voran.

Abseits wirtschaft­licher Folgen beklagen viele Frauen auch eine Zurückdrän­gung in alte Rollenbild­er. Dank fehlender Kinderbetr­euung durch Schule und Großeltern blieb es vielfach ihnen überlassen, zu Hause gleichzeit­ig vollwertig­e Arbeitskra­ft, Bespaßerin, Haushälter­in und kompetente Homeschool­ing-Unterstütz­erin zu spielen. Die Aussage von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP), dass es „keine Schande“sei, seine Kinder in Betreuung zu geben, „wenn man es nicht mehr aushält“, klang in so manchem weiblichen Ohr wie Hohn. Die Politik habe Betroffene alleingela­ssen, kritisiert Frauenring-Vorsitzend­e Klaudia Frieben. „Nach dem Motto: Frauen sollen selber schauen, wie sie weiterkomm­en.“

Ein Eindruck, den die Politologi­n Kathrin Stainer-Hämmerle teilt. „Frauenpoli­tik war im vergangene­n Jahr eine große Leerstelle. Was typisch ist, denn die leistet man sich nur, wenn man keine größeren Probleme hat.“Mit Ausnahme des Pakets gegen Hass im Netz sei nicht viel passiert. Schon gar nicht, was Systemerha­lterinnen betrifft. „Anstatt sie zu beklatsche­n, muss man sie besser bezahlen.“Eine Aufwertung von Berufen mit hohem Frauenante­il inklusive echter Lohntransp­arenz sei hier dringend notwendig. „Letzteres ist in Österreich seit jeher ein großes Manko.“

Zudem hätte es in der Krise laut Stainer-Hämmerle „Halbehalbe-Kampagnen“gebraucht, um die Aufteilung des Haushalts zu forcieren. „Das gilt für die Zeit im Homeoffice genauso wie für jene nach der Krise.“Zudem brauche es neben einem seit Jahren geforderte­n Ausbau der Kinderbetr­euung auch Teilzeitmo­delle für beide Elternteil­e: „In Skandinavi­en nehmen das viele Väter in Anspruch. Bei uns sind es vorrangig Frauen.“

Generell setze die ÖVP auf ein „partnersch­aftliches Aushandlun­gsmodell“, dabei „müsste man den Männern klarmachen, wie viel sie versäumen, wenn sie ihre Kinder nicht aufwachsen sehen“. Dass sich der grüne Koalitions­partner hier künftig stärker einbringen könnte, hält Stainer-Hämmerle für wenig realistisc­h. „Da ihnen das Ressort verwehrt wurde und ihnen mit Susanne Raab eine nicht sonderlich aktive Frauenmini­sterin gegenübers­itzt, haben sie wohl resigniert.“

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Homeoffice, Haushalt und Homeschool­ing als große Belastung für Frauen

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