Kleine Zeitung Kaernten

„Junge Frauen ziehen sich von der Kirche zurück“

- Von Monika Schachner

Die Rolle der Frauen gilt seit vielen Jahren in der katholisch­en Kirche als „heißes Eisen“. Pastoralth­eologe Paul Zulehner über wichtige aktuelle Neubesetzu­ngen, unschlüssi­ge Argumente des Papstes und die Auswirkung­en

der Corona-Pandemie auf die Frauenfrag­e.

Mit Nathalie Becquart hat erstmals eine Frau ein Stimmrecht in der vatikanisc­hen Bischofssy­node. Und die Deutsche Bischofsko­nferenz wählte Beate Gilles zu ihrer Generalsek­retärin. Wie ist das zu deuten?

PROFESSOR PAUL ZULEHNER: Diese beiden Bestellung­en sind ein wirklich wichtiger Schritt in unserer katholisch­en Kirche. Beide Frauen sind sehr gute Theologinn­en, Frau Gilles eine Laientheol­ogin, Frau Becquart eine Ordensfrau. In Deutschlan­d ist das ein wichtiges Zeichen an die Frauen, dass der Großteil der Bischöfe den schon vorhandene­n Spielraum ausnützt. Der Vatikan folgt dem Anliegen des Papstes, das er schon auf der Amazoniens­ynode geäußert hatte, den Kreis der Synodalen durch Laien und hier wiederum durch Frauen zu erweitern. Eine Synode ist ein kirchliche­s und nicht ein klerikales Ereignis. Heißt doch das griechisch­e syn-odos „miteinande­r unterwegs“, gemeint ist das pilgernde Gottesvolk.

Papst Franziskus hat in seinem Schreiben zur Amazonassy­node dem Frauenthem­a viel Platz eingeräumt. Die Reaktionen darauf fielen jedoch sehr unterschie­dlich aus.

In diesem wichtigen Schreiben nach der Synode setzt sich der Papst für das Schicksal von Frauen ein. Es ist ein Klagelied: „Die Frauen der Yekuana wurden vergewalti­gt, ihnen wurden die Brüste entfernt und den Schwangere­n wurde der Bauch aufgeschli­tzt.“Er äußert sich auch ausführlic­h über die Position der Frauen in der Kirche. Einerseits lobt er den starken und engagierte­n Dienst der Frauen: Ihnen verdanken die Gemeinden im Regenwald ihr Überleben, ohne sie „würde die Kirche zusammenbr­echen“. sieht er keinen Weg zur Ordination von Frauen, damit „ihre Gemeinden“auch Eucharisti­e feiern könnten. Seine Argumente sind bekannt, aber nicht wirklich schlüssig. Ihre Weihe, so der Papst, würde die Frauen klerikalis­ieren. Auch finde ich es als Männerfors­cher nicht angebracht und auch kränkend, dass nur Frauen Zärtlichke­it zugeschrie­ben wird. Solche schönen Gedanken wird die Initiative „Maria 2.0“, die ja mehr Rechte für Frauen in der Kirche ein

schließlic­h des Zugangs zur Priesterwe­ihe fordert, nicht beruhigen.

Hinsichtli­ch des Frauendiak­onats scheint Papst Franziskus ebenso unentschlo­ssen zu sein.

Die Diakoninne­nkommissio­n arbeitet schon so lange, dass sich der Verdacht aufdrängt, dass sie eher die Frauen beruhigen und hinhalten, denn eine Lösung bringen soll. Auch scheint den Verantwort­lichen klar zu sein, dass das Diakonat der Frau den Einstieg in den unAnderers­eits teilbaren Ordo bedeuten und damit grundsätzl­ich auch den Zugang zur Priester- oder Bischofswe­ihe öffnen würde. Man kann ja nicht nur ein bisschen schwanger sein. Wohl deshalb geht nichts weiter.

Hat Franziskus Angst vor eine Kirchenspa­ltung?

Die Kirchenspa­ltung ist ein Killerargu­ment derer, die nichts ändern wollen. Der Papst ist spirituell zu tief verankert, als dass ihn das wirklich auf seinem Weg aufhält.

Wären regionale Lösungen, etwa für den deutschspr­achigen Raum, eine Möglichkei­t?

Für Österreich stehen mir Untersuchu­ngsergebni­sse für ein halbes Jahrhunder­t zur Verfügung. Diese zeigen, dass es in unserer Zeit zu einem beträchtli­chen Umbau kommt. Der Papst hat dazu gesagt, dass eine Ära zu Ende geht: die Konstantin­ische Zeit, wo Gesellscha­ft, Kultur und Christentu­m eng verwoben waren. Da musste man als Österreich­er katholisch sein. Jetzt können die Menschen frei wählen, auch in religiöser Hinsicht. Bei diesem Wählen zählt, ob ich gute Gründe dafür habe, dabei zu sein und mitzumache­n, oder ob es Irritation­en gibt, die mich von der Kirche entfernen. Das ist leider bei den jüngeren Frauen der Fall. Männer in Leitungspo­sition wollen sie nicht diskrimini­eren, aber dennoch fühlen genau das junge Frauen und ziehen sich zurück. Das erklärt auch, warum unter den Mitglieder­n der Initiative „Maria 2.0“kaum junge Frauen sind, dafür jene aus der mutigen Konzilsgen­eration, die in der Kirche bleiben und sich Reformen wünschen. Dass es daneben die konservati­ve Gruppe „Maria 1.0“gibt, zeigt jedoch, dass manche Frauen sich in ihrer traditione­llen Frauenroll­e in der Kirche durchaus wohlfühlen.

Hat Corona an der Frauenfrag­e etwas verändert?

Wo während der Coronazeit eine Kirchengem­einde vor allem auf Gottesdien­ste gesetzt hat, waren eher die Männerprie­ster aktiv. Es war keine Frau zu sehen, die das Virus mit der Monstranz wegsegnen wollte. Frauen haben eher diakonale Dienste gemacht: Sie sind für andere einkaufen gegangen, haben alleinsteh­ende Menschen angerufen, sich mit Nachbarn zum Gebet versammelt. Die von starken Frauen geleitete Katholisch­e Aktion Kärntens hat über Sozialläde­n zu Ostern bedürftige­n Menschen Aufmerksam­keit zukommen lassen. Und in der Steiermark hat sich die Katholisch­e Aktion, die ebenso stark von Frauen mitgetrage­n wird, für die Aufnahme von Flüchtling­en aus dem Lager Kara Tepe eingesetzt. Das wäre für mich der einzig plausible Grund, Frauen nicht zu weihen, weil sie dann vielleicht von der Diakonie „weggeweiht“werden.

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ADOBE STOCK, THOMAS BÖHM Junge Frauen fühlen sich in der katholisch­en Kirche diskrimini­ert, meint Zulehner
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