Schwer beleidigt
Als wir nach mäßig forschem Anstieg die Wiese mit dem Wahnsinnsblick über die Stadt erreichen, auf der an diesem windigen Tag schon Dutzende Menschen das erste Sprießversuche wagende junge Gras in Grund und Boden sitzen, kann Julia nicht anders, als „Na, die werden sich alle sauber die Blase verkühlen!“auszurufen, und die ganze Kleinstgruppe nickt zustimmend, weil genau so haben wir das von unseren Omas gelernt.
Von unseren Ahninnen klug gemacht, lassen wir uns also auf unseren zusammengefalteten Jacken nieder. Passt! Auch wenn es mir, nur im Pulli, bei dem kleinen Abstandspicknick zwischendurch ganz ordentlich ins Kreuz zieht. Aber mein Gott! Frühling! Halb so wild!
Die nächsten drei Tage tut mir der Rücken, schwer beleidigt, derart weh, dass ich mich bewege wie Boris Karloff in „Frankenstein“: eingeschränkt elastisch. Lerneffekt: Auch unsere Omas hatten nicht nur einwandfreie Ratschläge.
Andererseits: Man ist in Sachen Frühling nicht der einzige Kokolori. Anfang März, kaum traut sich der erste Sonnenstrahl heraus, wirft die halbe Stadt jeden wärmenden Fetzen ab und geht in kurzen Hosen, Hemden, Trägerleiberln. Letztens, ich schwöre, sah ich einen barfuß radeln. Was die sich wohl alles verkühlen werden? Man bräuchte Omas, die man fragen kann; sie waren in Luftzugfragen vielleicht nicht perfekt, aber darauf hätten sie eine Antwort gewusst.