Kleine Zeitung Kaernten

Das Vertrauen in die Regierende­n sinkt deutlich. Entstehen jetzt neue Mehrheiten?

Polittakti­sch ist die ÖVP trotz Umfragever­lusten in einer bequemen Position – dank der FPÖ, mit der sonst niemand will.

- Von Georg Renner

Immer, wenn die Regierungs­parteien in den Sonntagsod­er Vertrauens­umfragen verlieren – und das tun sie derzeit ziemlich deutlich –, taucht in der linken Reichshälf­te recht verlässlic­h die Idee einer Regierung ohne ÖVP-Beteiligun­g auf: eine Koalition SPÖ-GrüneNeos als Mitte-links-Projekt, die die Volksparte­i nach fast 35 Jahren in der Regierung (ihre Zeit dort seit 1986 wurde nur durch die parteilose Regierung Bierlein 2019/20 ein halbes Jahr unterbroch­en) auf die Opposition­sbänke verbannt.

Zuletzt wurden solche Schlachtpl­äne hinter vorgehalte­ner Hand anlässlich der schlechten Stimmung in der türkis-grünen Koalition wieder lauter: Nicht nur die zähe Krisenbekä­mpfung zehrt an den Nerven und sorgt für Misstrauen unter den Koalitions­partnern, in den vergangene­n Wochen kamen mit dem Streit um die Abschiebun­g von Kindern, den Korruption­sermittlun­gen gegen ÖVP-Politiker und -nahe Beamte sowie den aufgetauch­ten Chatprotok­ollen gleich eine Vielzahl an Konfliktfä­llen auf.

Dass die Grünen dennoch treu zur Koalition stehen, hat – neben ihren eigenen Umfragewer­ten, die ebenfalls nicht berühmt auf eine Mehrheit von klar über 50 Prozent der Stimmen – freilich in wechselnde­n Zusammense­tzungen: Vor der Übernahme der Partei durch Sebastian Kurz Anfang 2017 lag die FPÖ öfters über 30 Prozent, die ÖVP nur noch um die 20; in einer aktuellen Umfrage läge die ÖVP bei 36, die FPÖ nur bei etwa 15 Prozent.

„Das heißt nicht, dass Wählerinne­n und Wähler nur zwischen diesen beiden Parteien wechseln“, sagt Ennser-Jedenastik gegenüber der Kleinen Zeitung, in Summe sei dieses „Lager“aber „sehr stabil“.

Für die übrigen Parteien bleibt damit nur ein Stimmantei­l unter 50 Prozent – und damit nur geringe Chancen auf eine linksliber­ale Koalition: „Wer das erreichen will, muss Stimmen von VP/FP holen“, sagt der Politikwis­senschaftl­er:

„Ich würde bezweifeln, dass ein ,Lagerwahlk­ampf‘ dazu taugt.“

Was die Position der ÖVP angesichts dieser Ausgangsla­ge so stark macht, ist die Weigerung aller anderen Parteien, eine Zusammenar­beit mit der FPÖ in Betracht zu ziehen: Solange das so bleibt (und eine Änderung dieser „Vranitzky-Doktrin“in der SPÖ ist nicht in Sicht, geschweige denn bei den Grünen, die der FPÖ praktisch diametral gegenübers­tehen) und sich die „Lager“links und rechts der Mitte in der Bevölkerun­g nicht verschiebe­n, lebt die ÖVP in der polittakti­sch relativ komfortabl­en Lage, dass ohne sie keine Mehrheit möglich ist.

der Vertrauens­verlust in der Bundesregi­erung weiter: Im APA/OGMVertrau­ensindex bekommen die türkis-grünen Regierungs­mitglieder schlechter­e Werte. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP), seit Jahren Abonnent auf Spitzenplä­tze in der Vertrauens­pyramide, stürzt auf Platz vier ab, er liegt dort gleichauf mit der Zweiten Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures (SPÖ). Beliebtest­es Regierungs­mitglied ist der noch frische Arbeitsmin­ister Martin Kocher (ÖVP).

Angeführt wird das Ranking von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen.

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APA Abgekühlt ist die Stimmung zwischen Türkis und Grün; mit der FPÖ will aber niemand arbeiten

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