Servus TV ist Chance für ORF
Die Einschläge kommen näher. Mit dem europäischen Saisonauftakt der Formel 1 am nächsten Wochenende schlägt ORF 1 eine weitere Stunde der Wahrheit. Denn die erste Übertragung im angestammten Österreich-Sender des PSSpektakels steht im Schatten der Austro-Premiere von Servus TV als F1-Heimatprogramm. Es verzeichnete am Palmsonntag 639.000 Zuschauer. Der Marktanteil von 35 Prozent war zwar geringer, die Publikumszahl aber höher als der 2020 verzögerte Saisonbeginn Anfang Juli und auch die terminlich vergleichbaren Rennen von 2018 und 2019. Servus TV agiert also vom Start weg auf Augenhöhe mit ORF 1, mit dem es nun abwechselnd überträgt. uch die nächste HiobsBotschaft für das „erste Programm“ist schon Schnee von gestern: Die Fußball-Euro 2024 und 2028 gingen ebenfalls an den Sender von Red Bull. Und die nächste öffentlich-rechtliche Zitterpartie zeichnet sich schon ab: Der Skiverband hat die Übertragungsrechte ab 2022/23 ausgeschrieben – im Vorfeld seines Präsidentenwechsels und der Neuwahl des ORF-Generals. Fußball-Nationalspektakel und Skisport sind aber Österreichs verlässlichste TV-Quotenbringer abseits von „Bundesland heute“, „Zeit im Bild“und „ZiB 2“. Im Kicker-EMJahr 2016 fielen zehn der 15 meistgesehenen Sendungen in
Adiese Kategorie, im WM-Jahr 2018 waren es gar 16 der Top 20. rotzdem hat sich der Marktanteil von ORF 1 seit 2008 auf acht Prozent halbiert. Wenn die Entwicklung beider Sender seit 2015 nur linear weitergeht, liegt Servus TV schon 2025 voran. Die Sportrechte-Einkaufstour ist ein Turbo dieser Entwicklung, die Informationsoffensive der Motor. Das neue Diskussionsformat „Links.Rechts.Mitte“Sonntagabend lag trotz harter Konkurrenz von „Im Zentrum“und „Anne Will“bei fünf von sieben Ausgaben schon über dem Senderschnitt.
RF 1 wird das Match verlieren. Der ORF kann den Wettbewerb dennoch gewinnen. Für sich. Indem er aussteigt aus der Quoten-Konkurrenz, die letztlich den Werbepreisen dient. Werbefreies Fernsehen und Radio mit klarem öffentlichen Auftrag wären nicht mehr an Quoten, sondern nur am Inhalt zu messen – in einer eigenen Liga. Wer das fordert, dem wird vorgeworfen, er plane die Zerstörung des ORF. So antwortet zumindest das Unternehmen, für das die Medienpolitik lange viel Wildwuchs zugelassen hat – ohne es jemals neu zu denken. Genau das ist überfällig. Besser von außen als von innen, wo systembedingt die Besitzstandsverteidigung immer im Vordergrund steht. Der Verlust der Sportspektakel ist ein Signal, dass es so nicht weitergehen kann.
OTUnd schon wieder eine Serie im viktorianischen Setting, aber „The Nevers“(ab Montag auf Sky) hebt sich ab: London, im August 1896. Ein schräges Himmelsphänomen hat zur Folge, dass vor allem Frauen Fähigkeiten an sich entdecken, die ungewöhnlich und individuell sind: in die Zukunft sehen, Erfindergeist, Sprachgenialität oder unbändiges Wachstum. Keine „Superkräfte“, die man aus dem Superheldinnenuniversum kennt.
Die Serie spannt über diese Fähigkeiten die volle Bandbreite der Ausgrenzungsproblematik: „The Touched“, also „Die Berührten“, lösen in der Gesellschaft Ängste und Vorurteile aus. Vor allem die Herren in diversen Politzirkeln sehen darin eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung.
Wer seine Fähigkeiten nicht vor anderen verstecken kann, flüchtet in eine Art Waisenhaus für die „Berührten“. Amalia True (Laura Donnelly) leitet die Institution und findet in der Erfinderin Penance Adair (Ann Skelly) eine Verbündete. Gemeinsam vertreten sie nicht nur die Interessen der Ausgegrenzten, sondern müssen im düsteren London gegen skrupellose Wissenschaftler und eine Terroristin aus den eigenen Reihen die Geschütze auffahren – ein schräges E-Auto inklusive.
Was heraussticht, sind der Witz der Dialoge und die klug gezeichneten Charaktere, denen viel Raum für ihr Anderssein zugestanden wird. Eine kuriose Unterstützerschar, darunter der hedonistische Betreiber eines Geheimclubs (James Norton), komplettiert den dichten Cast. Nur einer tut der empfehlenswerten Serie nichts Gutes, ihr Erfinder selbst: Joss Whedon („Justice League“, „The Avengers“). Immer mehr Stars melden sich, die von rüdem und frauenfeindlichem Verhalten auf den den Sets berichten.